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Brandenburg: Brisante Fragen, lautes Schweigen

Wie der Landtag über die Chipfabrik in Frankfurt/Oder debattiert

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Wie der Landtag über die Chipfabrik in Frankfurt/Oder debattiert Von Thorsten Metzner Potsdam. „Sie wissen, dass auch Schweigen protokolliert wird!“, sagt Esther Schröder – und blickt auf die Regierungsbank. Denn das Kabinett verzichtet auf sein Rederecht, obwohl es in der Parlamentsdebatte gerade um das derzeit wichtigste Brandenburger Großprojekt geht – die Chipfabrik in Frankfurt an der Oder. Kein Minister geht ans Rednerpult, auch kein SPD-Abgeordneter, um die Bedenken, Warnungen der fraktionslosen PDS-Politikerin, der schärfsten Kritikerin des Milliardenprojektes zurückzuweisen. Lediglich CDU-Parlamentsgeschäftsführer Dierk Homeyer kontert kurz: „Sie haben Ihr Urteil gefällt. Und schon immer Horrorgemälde gemalt.“ Ja, das Unbehagen im Regierungslager ist groß. Nächste Woche soll der Bürgschaftsausschuss von Bund und Land über eine 640-Millionen-Euro Bürgschaft der öffentlichen Hand entscheiden – ohne die das von Beginn an unter keinem guten Stern stehende Vorhaben platzt. Noch wird gebaut in Frankfurt/Oder – mit Millionen aus dem fernen Dubai, dem Hauptinvestor. Aber ohne Bürgschaft, dies hat das Emirat, das Anfang Oktober Ziel einer Reise von Kanzler Gerhard Schröder sein wird, gegenüber Bund und Land signalisiert, werde der Geldfluss gestoppt. Und trotzdem, so Schröder im Landtag: „Politik darf sich auch in Zeiten knapper Kassen nicht durch Investoren erpressbar machen lassen.“ Sie verweist auf den Zeitverzug von nunmehr drei Jahren, durch den der technologische Vorsprung der einst am Frankfurter Halbleiterinstitut IHP entwickelten Chip-Technologie längst nicht mehr bestehe. Dass das Werk ab 2004 marktfähige Chips produzieren und verwerten könne, sei daher zweifelhaft. Sie spricht von drohenden Schadenersatzforderungen, von der Gefahr, dass Brandenburg erneut öffentliche Gelder in dreistelliger Millionenhöhe in den märkischen Sand setze. Bedenken, die insgeheim auch mancher in den Koalitionsfraktionen, im Kabinett teilt. Verkehrte Welt: Während die Regierung schweigt, ist es Ralf Christoffers, der PDS-Landeschef und wirtschaftspolitische Sprecher der PDS-Fraktion, der der roten Kassandra im Landtag widerspricht – und die Chipfabrik verteidigt. „Ein Großprojekt ist nicht deshalb schlecht, weil es ein Großprojekt ist“, so der Landeschef, der mit Schröder – auch nach ihrem Ausschluss aus der Fraktion weiter Parteimitglied – in dieser Frage lange über Kreuz liegt. Denn es geht bei diesem Streit nicht nur um die Chipfabrik, sondern auch um den Kurs der Brandenburger PDS: Knallharte Oppositionspolitik – oder Nachweis von Wirtschaftskompetenz, Pragmatismus und Regierungsfähigkeit der PDS, die Rot-Rot in Brandenburg nach der Landtagswahl 2004 anpeilt. So hält Christoffers auch an diesem Mittwoch wieder ein Plädoyer für das von Pannen und Missmanagement begleitete High-Tech-Projekt, das 1300 Arbeitsplätze für den strukturschwachen Osten Brandenburgs bringen soll. Es gehe um eine industrielle Perspektive für Brandenburg, um den Standort Ostdeutschland, es gehe auch um die außenpolitische Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik wegen der Beziehungen zum arabischen Raum. Gewiss, so räumt zwar auch Christoffers ein, es gebe unterschiedliche Gutachten, ob die Chipfabrik marktfähig sei. „Trotzdem verdient sie eine Chance.“ Sie dürfe nicht an starren Wirtschaftsrichtlinien scheitern. „Es ist eine politische Entscheidung, die beim Bundeskanzler liegt.“

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