Brandenburg: Brutale Polizeiattacke bleibt ungesühnt
Beamter prügelte Myfest-Besucherin – Ermittlungen eingestellt. Vorgesetzter hatte Schlagstockeinsatz erlaubt
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Berlin - Nach der Prügelattacke eines Polizisten auf eine unbeteiligte Myfest-Besucherin am Abend des 1. Mai in Berlin-Kreuzberg hat die Staatsanwaltschaft jetzt das Verfahren eingestellt. Der Polizeibeamte, der die 30-jährige Almuth W. mit einem Schlagstock schwer verletzte, konnte nicht ermittelt werden. Nach Informationen dieser Zeitung hatte ein Hundertschaftsführer der Bereitschaftspolizei den Einsatz von Reizgas und Tonfa – einem Schlagstock mit Quergriff – auch gegen „vermeintlich unbeteiligte Personen“ angeordnet. Ein Befehl, der gegen geltendes Recht verstößt. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Volker Ratzmann, hat Innensenator Ehrhart Körting (SPD) in einem Brief zu einer Stellungnahme aufgefordert.
Wie berichtet, war Almuth W. am späten Abend des 1. Mai auf dem Heimweg vom Myfest nach Hause. Als auf der Oranienstraße nahe dem Heinrichplatz Randale aufkam, suchte sie Schutz vor dem Hauseingang Oranienstraße 199. Wie sie berichtete, sei sie plötzlich zu Boden gegangen, weil ihr von hinten mit einem Knüppel von hinten in die Kniekehlen geschlagen wurde. Als sie schon am Boden lag, habe sie erkannt, dass ein behelmter Polizist ihr mit dem Schlagstock zweimal seitlich gegen den Oberkörper schlug. Die Ärzte diagnostizierten später einen Rippenbruch.
Obwohl das Ermittlungsergebnis „unbefriedigend“ sei, seien weitere Erkenntnisse nicht zu erwarten, heißt es im Schreiben des Staatsanwaltes. Auf Fotos, die der „Tagesspiegel“ kurz nach der Prügel-Attacke veröffentlicht hatte, war das Opfer am Boden liegend zu sehen. Mehrere Polizisten der Einheit mit der Kennzeichnung „1121“ waren deutlich erkennbar. Die für interne Ermittlungen des Landeskriminalamtes zuständigen Beamten konnten aufgrund dieser Fotos und der Kennzeichnung „1121“ insgesamt 14 Polizisten identifizieren und zu der Tat vernehmen. Doch keiner der Beamten will den Einsatz eines Tonfas gegen eine Frau beobachtet haben. Auch Einsatz-Videos seien gesichtet worden – die Tat selbst sei aber nicht dokumentiert worden. Obwohl mehrere Zeugen bestätigten, dass von der Gruppe, in der das Opfer stand, keine Aggressionen gegen Polizisten ausgingen, zweifeln die Ermittler offenbar an dieser Aussage. So schreibt der Staatsanwalt, dass der Führer der 11. Einsatzhundertschaft in seiner Vernehmung ausgesagt habe, dass er Flaschen- und Steinwürfe aus dem Bereich der Gruppe vor dem Haus Nummer 199 wahrgenommen hat. Wie der Tagesspiegel erfuhr, hatte der Polizeiführer deshalb ab 23 Uhr den Einsatz von Reizgas und Tonfa „gegenüber Menschenmengen“ angeordnet – und zwar offenbar auch gegen Leute, die bloß im Weg stehen. So zitiert Ratzmann in seinem Brief an Körting die Aussage des Polizeiführers: Diese „polizeilichen Einsatzmittel“ durften demnach „auch gegen vermeintlich unbeteiligte Personen eingesetzt werden, sofern sie oder ihre Anwesenheit Angriffe gegen andere Menschen, Polizeibeamte oder Sachen begünstigen.“
Doch wie Ratzmann in seinem Brief an Körting betont, sei der Einsatz von „Hiebwaffen gegen Nicht-Störer“, also gegen Unbeteiligte, nach den Vorschriften der Polizei nicht erlaubt. „Im Gegenteil“, sagt Ratzmann. „Schlagstöcke dürfen nur gegen Störer eingesetzt werden.“ Die Vorschrift verbiete eindeutig den Tonfa-Einsatz gegen Personen, die am Boden liegen. Von der Innenverwaltung war gestern zu diesem Vorfall keine Stellungnahme zu erhalten. Beim Polizeipräsidenten sei der Brief Ratzmanns bislang nicht bekannt, sagte ein Polizeisprecher. Tanja Buntrock
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