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Von Thorsten Metzner: Bundesgericht: Land muss Millionen nachzahlen

Leipziger Urteil: Brandenburgs Zwangsteilzeit für Lehrer war rechtswidrig – Beamte bekommen rückwirkend volle Bezüge

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Potsdam/Leipzig - Das wird teuer für das Land: Brandenburg muss Lehrern, die es zwischen 1998 und 2004 nur zu Teilzeitbeamten ernannte, volle Bezüge nachzahlen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Donnerstag entschieden. Damit wurde erneut von einem Bundesgericht wie bereits bei der Bodenreform-Affäre rechtswidriges brandenburgisches Regierungshandeln gerügt. Betroffene Lehrer können im Einzelfall mit Summen von 20 000 bis 30 000 Euro rechnen.

Brandenburg hatte zwischen 1999 und 2004 rund 8000 angestellte Lehrer zu „Teilzeitbeamten“ ernannt, um den Landeshaushalt zu entlasten. Die Lehrer wurden damals Beamte, in der Ernennungsurkunde aber gleich zur Teilzeit verpflichtet, zumeist auf Zwei–Drittel-Stellen, was zu Verdienstausfällen führte, die nun rückwirkend entschädigt werden. Vom Urteil profitieren allerdings nur Lehrer, die gegen die Zwangsteilzeit klagten.

Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) geht von „rund 200 Fällen“ aus, und „von unter 10 Millionen Euro“, die nun auf das Land zukommt. Allerdings ist selbst das eine hohe Belastung. Zum Vergleich: Das gerade eingeführte umstrittene Schüler-Bafög für Abiturienten kostet in diesem Jahr 1,1 Millionen Euro und künftig jährlich rund 5 Millionen Euro. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) rechnet sogar mit bis zu 500 Fällen, so dass die Summen noch höher liegen könnten. Auch der Potsdamer Anwalt Thomas Becker, der das Präzedenzurteil für neun Kläger erstritten hat, erwartet „Nachzahlungsansprüche in zweistelliger Millionenhöhe“. Er weist außerdem auf zusätzliche Pensionslasten für das Land hin, die noch nicht zu beziffern sind.

Zwar begrüßten sowohl Rupprecht als auch die GEW, dass nun „Klarheit und Rechtssicherheit“ für die 8000 Lehrer herrscht, da das Leipziger Bundesgericht im Gegensatz zu märkischen Verwaltungsgerichten und zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg nicht die Ernennung in das Beamtenverhältnis gekippt hat. Sonst hätte Brandenburg 200 bis 300 Millionen Euro Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen müssen. Gleichwohl sorgt das Urteil für neuen Streit. Denn Rupprecht äußerte danach Unverständnis, dass Lehrer „nun Geld für nicht geleistete Arbeit erhalten“. Dies sei das „falsche Signal“ und „dem Ansehen des Berufsstandes nicht dienlich“. Diese Position hatte der Minister bereits jüngst im Landtag vertreten. „Dieses Urteil müssen wir akzeptieren, dem Land aber tut das doppelt weh“, sagte der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Thomas Günther. Das Geld sei knapp – „und nun muss es auch noch für Arbeit gezahlt werden, die nie geleistet wurde“. Dagegen warnte GEW–Chef Fuchs davor, nun die Lehrer, die sich ihr Recht erstritten hätten, nun zu Sündenböcken zu machen. „Ich weiß, dass die Zahlungen in Zeiten, wo gespart wird, nicht populär sind. Aber es waren nicht die Lehrer: Das Land hat sich rechtswidrig verhalten. Es wusste um das Risiko.“ Fuchs erinnerte daran, dass die GEW vor der Teilzeit-Verbeamtung mit einem Gutachten der Verwaltungshochschule Speyer vor dem riskanten Versuch gewarnt hatte, mit dem Brandenburg damals Neuland betrat. In  Thüringen und Hessen gab es zwar ähnliche Experimente, allerdings wurden sie schon vor Jahren nach Urteilen der dortigen Landesverfassungsgerichte gestoppt. Fuchs warnte davor, in Missachtung des Urteils des höchsten deutschen Verwaltungsgerichtes den Lehrern den schwarzen Peter zuzuschieben. „Sie wollten voll arbeiten, was sie mit ihrer Klage bekräftigt haben: Sie durften es nicht.“ Brandenburg könne nicht einfach den Spieß umdrehen.

Kritik kam auch von der Opposition. CDU-Bildungssprecher Gordon Hofmann sprach von einer „schmerzhaften Quittung“ für langjährige „Vogel-Strauss-Politik“ des SPD-geführten Bildungsministeriums. Und Grünen-Fraktionschef Axel Vogel erklärte: „Die Strategie, angestellte Lehrer gegen ihren Willen eine Teilzeitverpflichtung aufzudrängen, nimmt nun ein böses Ende.“ Allerdings: Erfinderin der Zwangsteilzeit-Strategie war die bündnisgrüne Bildungsministerin Marianne Birthler in der Ampel-Koalition nach 1990. Was Birthler bei den Angestellten begonnen hatte, um Entlassungen bei den Lehrern zu vermeiden, setzte später der damalige SPD-Bildungsminister Steffen Reiche dann mit der Teilzeit-Verbeamtung fort.

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