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Brandenburg: Bürgerwehr macht gegen Polen mobil

Kleinstädter fesselten und schlugen Erntehelfer wegen falsch erhobenen Einbruchsverdachts

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Kremmen – In Berlins Umlandgemeinden wächst der Frust über rasant steigende Hauseinbrüche – jetzt wird ein Fall von Selbstjustiz gegen polnische Erntehelfer bekannt. Begonnen hatte alles am Montagvormittag. Drei Männer hatten versucht, in das Haus einzubrechen, weckten dabei aber die Besitzerin auf. Von den Geräuschen alarmiert, sah sie nach dem Rechten und verschreckte dabei die Einbrecher. Die Frau sah noch, wie die drei Männer in ein nahe gelegenes Waldstück flüchteten. Sie informierte die Polizei, die startete eine Fahndung. In ungefähr 1,5 Kilometern Entfernung stießen die Beamten auf eine Gruppe polnischer Erntehelfer auf einem Spargelfeld, auf welche die Beschreibung der Kleidung jedoch nur vage passte. Die am Tatort aufgefundenen Spuren stimmten nicht mit denen der vier Männer überein, weshalb sie wieder auf freien Fuß gesetzt wurden. Im Laufe der Suche wurde sogar ein Hubschrauber eingesetzt, allerdings fehlte von den Tätern jede Spur.

Am selben Abend, kurz nach 19 Uhr, wurde die Polizei erneut nach Kremmen beordert. Der Grund: Zwei polnische Erntehelfer wurden auf dem Grundstück, auf dem am Vormittag der versuchte Einbruch stattgefunden hatte, festgehalten, ein dritter konnte fliehen. Tatsächlich hatte eine spontan gebildete Bürgerwehr von fünf Nachbarn die Gruppe von polnischen Erntehelfern attackiert, weil einer der Kremmener sie am Morgen nach dem Einbruch sah und sie für die Einbrecher hielt. Der aufgebrachte Mob zerrte die Polen in ein Auto, schlug sie und brachte sie auf das Grundstück, damit die Hauseigentümerin sie identifizieren kann. Dort wurden die zwei 23 und 36 Jahre alten Polen an Holzpaletten gefesselt und die Polizei informiert. Die Frau jedoch schloss die Männer als Täter aus. Auch die Ermittlungen der Kriminalpolizei ergaben, dass diese beiden Männer nichts mit dem Einbruch zu tun haben konnten. Als die Beamten eintrafen, wiesen die Polen Verletzungen im Gesicht auf, welche in einer Rettungsstelle ambulant behandelt werden mussten. Daraufhin erstellte die Polizei Strafanzeige gegen die Nachbarschaftswehr und kündigte – „ohne Vorverurteilung der Männer“ – eine sorgfältige Prüfung an, ob das Verhalten noch durch das Jedermannsrecht gedeckt ist. Demnach kann man Tatverdächtige auf frischer Tat oder Flucht stellen, muss dann aber sofort die Polizei informieren.

Nach dem Vorfall entschuldigten sich die Kremmener bei den Erntehelfern. „Der Haupttäter war am Mittwochmorgen auf dem Spargelfeld und hat sich bei unseren Erntehelfern entschuldigt. Dennoch haben die Helfer Strafanzeige gestellt“, sagte Spargelbauer Malte Voigts. Auch Bürgermeister Klaus-Jürgen Sasse (SPD) entschuldigte sich im Namen der Kleinstadt. Ein Polizeisprecher sagte, die Einbruchsserien im Umland seien für Betroffene und Polizei ein Problem, aufmerksame Bürger seien dagegen der wirksamste Schutz. Dennoch warnte er eindringlich vor Selbstjustiz. Die Verfolgung Unschuldiger und sogar eine Stigmatisierung der polnischen Erntehelfer sei auf keinen Fall im Sinne eines Rechtsstaates.A. Fröhlich, O. Dietrich

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