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Brandenburg: Büroleiteraffäre: Die verfolgte Unschuld

Bedenkliche Mienen sind auf den CDU-Fluren des Landtages anzutreffen, wenn die Sprache auf den konservativen Justizminister Kurt Schelter kommt. Zwar gibt es bislang keine deutlichen Anzeichen für einen neuen Minister-Rücktritt - es wäre der dritte in dieser Legislatur.

Bedenkliche Mienen sind auf den CDU-Fluren des Landtages anzutreffen, wenn die Sprache auf den konservativen Justizminister Kurt Schelter kommt. Zwar gibt es bislang keine deutlichen Anzeichen für einen neuen Minister-Rücktritt - es wäre der dritte in dieser Legislatur. Aber es gibt böse Omen. "Als Wolfgang Hackel vom Amt des Kulturministers zurücktrat, machte Jörg Schönbohm gerade Urlaub weit weg auf einer Insel im sonnigen Süden. Jetzt ist Kurt Schelter in Bedrängnis und Schönbohm entspannt sich im warmen Arabien", unkten gestern Politiker. Selbst Christdemokraten bestreiten nicht, dass sich der Justizminister "immer weiter selbst demontiert". Warum? Achselzucken, Rätselraten - überall.

Dabei hatte der eloquente Rechtsprofessor und frühere Bonner Staatssekretär mit CSU-Parteibuch, ein Ziehsohn von Franz Josef Strauß, in Brandenburg "den besten Start aller Minister", wie SPD-Politiker hervorheben. Während Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß, kaum dass er sein Amt angetreten hatte, beinahe über seinen US-Professoren-Titel gestolpert wäre, wurde Schelter als Star unter den Koalitions-Ministern gefeiert: Er packte den Schlendrian in den Gefängnissen an, die als "Reisebüro Bräutigam" verspottet worden waren. Er nahm sich der Sorgen an den Gerichten an. "Ein Kämpfer", lobte Verfassungsgerichts-Präsident Peter Macke. "Ein Profi", stimmten Sozialdemokraten mit Blick auf eigene Minister in die Lobeshymnen ein.

Heute fällt dem SPD-Fraktionschef Gunter Fritsch zu Schelter allein das Wort "unprofessionell" ein. Er habe Verständnis für den Zorn der Richter. CDU-Politiker wollen sich am liebsten gar nicht äußern. Seit Herbst gab es immer neue Schlagzeilen in der "Büroleiteraffäre" um einen - von Schelter bis heute bestrittenen - Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit. Jüngster Akt: Nach unverständlichem 24-stündigen Zögern dementiert Schelter vor einer Woche, dass es in seinem Ressort "Schwarze Listen" über Richter gebe, die sich kritisch über ihn und seinen Umgang mit der Affäre geäußert hätten. Ein Dementi ohne Wenn und Aber.

Plötzlich dann die Relativierung: Die Personalabteilung habe geprüft, ob Äußerungen die Grenze des Mäßigungsgebots für Richter überschritten hätten. Es werde aber keine disziplinarischen Maßnahmen geben.

Noch am Sonnabend stellte Schelter gegenüber der "Berliner Zeitung" klar, dass diese überprüfungen nicht auf seine Anweisung, ohne sein Wissen erfolgt seien. "Von mir wurde so etwas nicht veranlasst." Er wisse auch nicht, was jeder einzelne Beamte in seinem Haus tue. Nach dem Aufschrei namhafter Richtervereinigungen, allein der Minister könne Überprüfungen anordnen, relativiert Schelter erneut: "Wussten sie, dass geprüft wird?", fragt eine Reporterin. Die Antwort Schelters: "Ja, über die Personalabteilung." Widersprüche über Widersprüche. Der Minister, der immer dünnhäutiger wird, fühlt sich missverstanden, verfolgt: Von Intimfeinden in SPD und PDS, von Medien. Was ihn am meisten stört: dass man ihn für so dumm hält, "schwarze Listen" anzulegen.

Er sieht sich falsch zitiert, flüchtet sich in Sarkasmus, Zynismus: Es gebe keine Säuberungswelle unter den Richtern, formuliert er im Gespräch mit dieser Zeitung bitter. Doch der Begriff sorgt für neue Missverständnisse. Prompt will Schelter ihn nie verwendet haben, unterstellt er, dass er frei erfunden wurde. Erklärungen fallen schwer: "Es ist ein psychologisches Problem", meinen Insider, die sämtlich Schelters fachliche Kompetenz anerkennen. "Er ist in seinen Denkstrukturen und Wertevorstellungen gefangen." Schelter gilt - nicht nur im eigenen Haus - als "beratungsresistent". Selbst ihm wohlgesonnene Politiker, die mit ihm reden, ihm raten wollten, sagen resigniert: "Es ging nicht." Schelter stehe sich mit seinem Unfehlbarkeitsanspruch selbst am meisten im Weg, urteilt ein Abgeordneter. "Er läuft Amok", sagt der PDS-Politiker Stefan Sarrach, der mit einer Kleinen Anfrage den Schwelbrand entfacht hatte.

CDU-Politiker halten Schelter dagegen zugute, dass er im eigenen Ministerium "gemobbt" werde: SPD-Ministeriale verhielten sich illoyal, fütterten SPD, PDS, Richterverbände und Medien mit Informationen über interne Vorgänge. Der Erzkonservative sei eine "gute Zielscheibe". Doch kontern Sozialdemokraten, die sich nur aus Koalitionsräson mit offenen Äußerungen zurückhalten: Wenn Schelter stürzen sollte, "dann nicht über Illoyalität im Ministerium, sondern über mangelnde Sensibilität". Manche wollen bei Schelter bereits Amtsmüdigkeit festgestellt haben. Kein Wunder, dass bereits Vermutungen kursieren, Schelter provoziere Konflikte, weil er einen Anlass für seinen Rücktritt suche. Unsinn, sagt ein Regierungsmitglied, das könnte er einfacher haben: "Er müsste nur 300 Millionen zusätzlich für einen Knast oder hundert Richterstellen fordern." Schelter hat einen Rücktritt auf dem Höhepunkt der Büroleiteraffäre mit dem Argument ausgeschlossen, das gehe nicht, er müsse seinen durch andere beschädigten Ruf wieder herstellen. Bislang tut er das Gegenteil.

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