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Brandenburg: BVG baut Videoüberwachung massiv aus

Bis Ende 2007 sollen Bilder von allen U-Bahnhöfen einen Tag gespeichert werden

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Berlin - Die Berliner Verkehrsbetriebe BVG wollen noch in diesem Jahr alle ihre 170 U-Bahnhöfe durch Kameras überwachen lassen und die Aufnahmen 24 Stunden lang speichern. Damit greift d BVG der vereinbarten Auswertung des laufenden Pilotversuchs auf den Linien U2, U6 und U8 vor. BVG-Sprecher Klaus Wazlak begründet die Eile damit, dass die Schäden durch Vandalismus und Graffiti in den überwachten Bereichen eindeutig zurückgegangen seien.

Der Fall des neunjährigen Mitja aus Leipzig, dessen mutmaßlicher Mörder am Wochenende über Kamerabilder aus einer Straßenbahn identifiziert werden konnte, scheint den Sinn der Videoaufzeichnung auf dramatische Weise zu belegen. Doch sowohl Datenschützer als auch Politiker sind verärgert über die BVG: „Verbeinbart ist, dass das Modellprojekt bis Ende März läuft und dann wissenschaftlich ausgewertet wird“, heißt es beim Landesdatenschutzbeauftragten, „alles andere wäre absprachewidrig.“ Kritik kam auch von Grünen, FDP und Linkspartei. Deren Innenpolitikerin Marion Seelig sagte: „Wir sind etwas überrascht.“ Die Aktion der BVG solle im Parlament thematisiert werden. Thomas Kleineidam, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, lobt dagegen die BVG und verweist auf die Koalitionsvereinbarung: „Die sagt klar, wir wollen das.“

BVG-Sprecher Wazlak stellt klar, dass es sich um eine „reine Aufzeichnung“ handele, „die sich keiner einfach anschauen kann“. Die Bilder würden verschlüsselt gespeichert und nach 24 Stunden unbesehen gelöscht, sofern kein Vorfall bekannt geworden sei. Die Kosten könne er nicht beziffern, aber angesichts von rund sieben Millionen Euro Vandalismus-Schäden im vergangenen Jahr werde sich die Investition lohnen.

In Hamburg, wo seit Ende 2004 alle U-Bahnzüge und Stationen überwacht werden, sind die Schäden nach Auskunft eines Hochbahn-Sprechers „grob gesagt um 50 Prozent gesunken“. So seien die jährlichen Kosten durch Graffiti in den Zügen binnen vier Jahren von 1,11 Millionen Euro auf 580 000 Euro gesunken. Auch Fahrgäste würden seltener attackiert. Dass die Zahl solcher Fälle von 550 vor zehn Jahren auf unter 200 gesunken sei, liege aber nicht nur an der Videoüberwachung, sondern an einem neuen Gesamtkonzept mit Notrufsäulen und Stichprobenkontrollen durch Personal.

Der Staatsrechtler Martin Kutscha von der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege in Berlin nennt den Nutzen der Aufzeichnung „unsicher; die Erfahrung aus Großbritannien ist eher ernüchternd“. In England sind große Teile des öffentlichen Raums videoüberwacht. Eine Untersuchung im Auftrag der Regierung habe ergeben, dass gerade „Affektstraftaten“ wie Prügeleien durch Kameras kaum verhindert würden und sich andere Kriminalität einfach in nicht überwachte Bereiche verlagere. „Am sichersten ist, wenn da lebende Personen sind“, resümiert Kutscha.Stefan Jacobs

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