Brandenburg: BVG umkurvt die Energiewende
Umstieg auf Ökostrom ist den Verkehrsbetrieben ohne Hilfe zu teuer
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Berlin - Berlin will Modellstadt für Elektromobilität werden – und geht ausgerechnet beim landeseigenen Verkehrsbetrieb BVG mit schlechtem Beispiel voran. Das Unternehmen bezieht nicht nur weiter Atomstrom, auch ein Drittel der Fahrzeugflotte bei der U-Bahn bleibt die nächsten Jahre weit hinter dem modernen Stand der Elektrotechnik zurück, und auch bei fortschrittlichen Antrieben von Bussen sind nicht viel mehr als Alibi-Tests vorgesehen. Nur die Straßenbahnen sollen von 2017 an auf dem neuesten Stand der Technik sein.
Bremser ist der Senat. Anders als etwa Hamburg ist Berlins Regierung bisher nicht bereit, die BVG beim Ausstieg aus dem Atomstrom zu unterstützen. Die BVG hat den Wechsel erwogen – und verworfen. „Jedes einzelne Prozent mehr Grünstrom würde Mehrkosten von rund 100 000 Euro pro Jahr verursachen“, sagte BVG-Sprecher Klaus Wazlak. Dies könne sich das Unternehmen nicht leisten. Im vergangenen Jahr gab die BVG 22 Millionen Euro für Strom aus – weit mehr als vorgesehen. Deshalb bezieht das landeseigene Unternehmen weiterhin 17 Prozent seines Stroms aus Atomkraftwerken, die ihre Energie relativ günstig anbieten. 60 Prozent stammen nach BVG-Angaben aus Kohle- oder Gaskraftwerken und nur 23 Prozent aus erneuerbaren Energien.
In Hamburg fährt die S-Bahn seit 2010 ausschließlich mit Ökostrom. Dadurch würden jährlich rund 60 000 Tonnen Kohlendioxid weniger ausgestoßen, sagte ein Bahnsprecher. Die Stadt unterstütze die S-Bahn bei der Finanzierung. Auch die BVG will jetzt bei der anstehenden Revision des Vertrags mit dem Senat über die Finanzierung von mehr Ökostrom verhandeln. Bisher sei vom Land aber keine Bereitschaft zu erkennen gewesen, heißt es bei der BVG. Ziel bleibe es, bis 2020 „unter Berücksichtigung der betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen“ nur noch erneuerbaren Strom zu beziehen.
Mit zeitgemäßer Technik könnte die BVG den Stromverbrauch zudem senken. Moderne Fahrzeuge mit Drehstromantrieb leiten beim Bremsen Energie zurück ins Netz und speisen damit andere Bahnen. Bei der U-Bahn ist dies bei einem Drittel der Fahrzeuge nicht möglich. Sie sind noch Jahre im Einsatz, da sie erst vor kurzem modernisiert wurden oder derzeit noch werden.
Die mehr als 1300 Busse der BVG sind ebenfalls mit konventioneller Technik unterwegs. Im Rahmen der Berliner Bewerbung zum „Schaufenster Elektromobilität“ wolle sich die BVG aber mit zehn Hybridgelenkbussen beteiligen – vorausgesetzt, der Kauf werde entsprechend gefördert, sagte Wazlak. Die Einsparung an Kraftstoff durch den zusätzlichen Elektroantrieb reiche aber nicht aus, um die höheren Anschaffungskosten auszugleichen.
Erfolgreich im Linieneinsatz seien weiter vier Wasserstoffbusse, sagte Wazlak. Außerdem wolle die BVG beim „Schaufenster Elektromobilität“ eine ihrer 149 Linien mit rein elektrisch angetriebenen Bussen betreiben, die ihren Strom kabellos aus in die Straße gelegten Energiequellen beziehen, die gefahrlos für Menschen seien. Ein solches System hat Bombardier bereits für Straßenbahnen entwickelt. Modellprojekt beim Bus soll die Linie 147 (Ostbahnhof – Hauptbahnhof) werden; vorausgesetzt, Berlin wird Modellstadt und das Geld fließt. Klaus Kurpjuweit
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