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Vor 100 Tagen präsentierte die neue rot-rote Regierung den Koalitionsvertrag: SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Ness (v.l.), Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der Landesvorsitzende der Linkspartei, Christian Görke und die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Margitta Mächtig.

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Rot-Rot regiert seit 100 Tagen in Brandenburg: Chaos in der CDU nutzt der Landesregierung

Die CDU Brandenburg zerlegt sich selbst und nutzt damit vor allem der rot-roten Landesregierung. Die präsentiert sich unaufgeregt wie ein altes Ehepaar. Eine Bilanz nach 100 Tagen Regierung.

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Potsdam - Brandenburgs rot-rote Neuauflage war eher aus der Not geboren. Doch seit nunmehr 100 Tagen arbeitet die Regierung weitgehend geräuschlos - die Koalition ist sehr darauf bedacht, Einigkeit zu demonstrieren. Ihre Stärke beruht jedoch im Wesentlichen auf der Schwäche der CDU. Deren Regierungsbeteiligung war nach der Landtagswahl zum Greifen nah. Doch Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) vermisste bei CDU-Chef Michael Schierack Führungswillen - und setzte wieder auf eine Vernunftehe mit den Linken, denen die seit 25 Jahren dauerregierende SPD wegen deren herben Verlusten bei der Landtagswahl noch ein Ministerium abnehmen konnte.

Aus Frust über die verpasste Chance zerlegt sich die CDU als stärkste Oppositionskraft nun selbst. Nach den Chaostagen mit dem Abgang von Generalsekretärin Anja Heinrich und dem angekündigten Rückzug von Parteichef Michael Schierack muss die CDU nun erstmal eine neue Führungsspitze finden. Die Schlagzeilen aus der Brandenburger Politik werden die Christdemokraten noch eine Weile bestimmen.

Rot-Rot wie ein altes Ehepaar

Derweil präsentiert sich Rot-Rot unaufgeregt wie ein eingespieltes Ehepaar. Etwas Zwist kam auf, als SPD-Fraktionschef Klaus Ness Ende Januar verkündete, man müsse sich bei den Investitionen auf die Gemeinden im Speckgürtel konzentrieren, die durch weiteren Zuzug noch weiter wachsen. Dagegen hatte Linken-Chef Christian Görke ein Millionen-Investitionsprogramm für die Kommunen im ganzen Land, ausdrücklich auch in den Randregionen mit erheblichem Bevölkerungsrückgang zu seinem Wahlkampfschlager gemacht.

Ansonsten verlautet aus den Fraktionen und den Ministerien, dass "emsig gearbeitet" werde. An einem Leitbild zur umstrittenen Kreisreform, am Haushaltsentwurf für die kommenden zwei Jahre, an einem Runden Tisch gegen Kinderarmut etwa. Nur die Unterstützung der Kommunen bei der Aufnahme von Flüchtlingen duldet keinen Aufschub und wird mit der Erweiterung der Erstaufnahme Eisenhüttenstadt und Asylgipfeln in der Staatskanzlei angegangen.

Wer hätte gedacht, dass sich Woidke so gut präsentiert?

Aus Sicht des Politologen Henrik Scheller von der Uni Potsdam verdankt die Landesregierung ihre Stärke derzeit vor allem dem Ministerpräsidenten. "Es war nicht vorauszusehen, dass Woidke nach dem Ausscheiden von Matthias Platzeck die Regierung so souverän weiterführt", sagt Scheller. "Er arbeitet unaufgeregt, gilt als beratungsoffen und wird von weiten Teilen der Bevölkerung aufgrund seiner unprätentiösen Art anerkannt." So sei es für die Linke schwer, sich in der Öffentlichkeit zu behaupten. "Je stärker sich Woidke präsentiert, desto schwerer wird der Stand für die Linke", meint Scheller.

Bei den Brandenburgern kann Rot-Rot aber weiterhin auf Zustimmung setzen - obwohl die Linke bei der Landtagswahl mit 18,6 Prozent auf den dritten Platz hinter der CDU abgerutscht war. Bei einer Anfang Januar veröffentlichten Forsa-Umfrage im Auftrag der "Märkischen Allgemeinen Zeitung" hielten mehr als 51 Prozent der Befragten die Entscheidung der SPD für richtig, erneut mit den Linken zu koalieren. Dagegen sähe ein Drittel der Brandenburger weiterhin lieber ein Bündnis mit der CDU.

Geywitz über die CDU: "Intrigen und Machtspielchen brechen nun wieder auf"

Doch die Christdemokraten geben seit der Landtagswahl ein schlechtes Bild ab. Der Neustart als stärkste Kraft der Opposition ging trotz Auswechslung von Schierack als Fraktionschef im November gründlich daneben: Am Montag schmiss Generalsekretärin Heinrich erst ihren Job hin - und mit ihrer Kritik am fehlenden Profil der CDU und an den Machtspielchen in der Partei beschleunigte sie den einen Tag später folgenden Abgang von Schierack als Parteichef. Nun muss ein vorgezogener Parteitag bis Sommer eine neue Führungsspitze wählen. Neben dem neuen Fraktionschef Ingo Senftleben brachte sich pikanterweise auch "Königsmörderin" Heinrich als mögliche neue Parteichefin ins Spiel.

Die seit einem Vierteljahrhundert regierende SPD betrachtet diesen Intrigantenstadel genüsslich und sieht sich in der Entscheidung gegen eine Regierung mit den Christdemokraten bestätigt. "Die Brandenburger CDU ist dazu einfach nicht reif", erklärte Generalsekretärin Klara Geywitz. "Intrigen und Machtspielchen brechen nun wieder auf." Sie spielt darauf an, dass sich die Brandenburger CDU nun schon den elften Vorsitzenden seit der Wende suchen muss - Schierack konnte sich zuletzt gerade mal zwei Jahre halten. (dpa)

Klaus Peters

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