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Die Brandenburger Landtagsabgeordneten Nadine Graßmel (l) und Wolfgang Roick (beide SPD) fahren mit ihren Simson-Mopeds auf dem Alten Markt vor dem Landtag vor.

© dpa/Jens Kalaene

Comeback der DDR-Kultmarke: Auf der „Simme“ in den Brandenburger Landtag

Simson-Kult erlebt politisches Comeback. Ostdeutsche Landesparlamente ringen um erleichterte Regeln für Reimporte der Kult-Mopeds und deren Erhalt.

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Mit lautem Geknatter geht es über den Alten Markt, dem Platz vor dem Brandenburger Landtag. Wolfgang Roick, der SPD-Landtagsabgeordnete aus Großräschen, sitzt auf seiner „Simme“, einem Moped des DDR-Typs Simson, und dreht ein paar Runden für die Kameras.

„Meine erste Simson hatte ich, als ich 16 oder 17 war“, sagt Roick. „Für mich war die Simson Freiheit: Man war als Schüler nicht mehr auf Bus oder Bahn angewiesen, konnte die Freundin mitnehmen – und damals sind wir sogar noch ohne Helm gefahren.“

So wie Roick ging es wohl vielen Ostdeutschen. Die Simson aus Suhl war für viele Jugendliche das erste eigene Fahrzeug, bis heute hat sich ein regelrechter Kult um das Kleinkraftrad entwickelt. Bastler treffen sich zu regelmäßigen Simson-Treffen, und sogar in den Einigungsvertrag hat es die Simson geschafft. Dort ist festgelegt, dass Kleinkrafträder der Marke Simson trotz einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von bis zu 60 km/h weiterhin zulassungsfrei mit Versicherungskennzeichen gefahren werden dürfen.

Einzige Voraussetzung: Die Fahrzeuge müssen vor 1992 erstmals in Verkehr gebracht worden sein. Und weil das so ist, steigt die Nachfrage nach Simson-Zweirädern. Auch Reimporte von ins Ausland exportierten Fahrzeugen stehen hoch im Kurs.

Die Simsons sind ein großes Stück Ostkultur, die Leute stecken dort ihr Herzblut rein.

SPD-Verkehrspolitikerin Martina Maxi Schmidt

Und weil das so ist, hat auch die ostdeutsche Politik das Thema für sich entdeckt. Im September hatte sich der Thüringer Landtag für eine erleichterte Zulassung von Simson-Reimporten ausgesprochen. Vor einigen Tagen folgte Mecklenburg-Vorpommerns Verkehrsminister Wolfgang Blanck. Und in dieser Woche will sich auch der Brandenburger Landtag mit dem Thema beschäftigen. „Die Simsons sind ein großes Stück Ostkultur, die Leute stecken dort ihr Herzblut rein“, sagte die SPD-Verkehrspolitikerin Martina Maxi Schmidt.

In einem gemeinsamen Antrag wollen SPD, BSW und CDU erreichen, dass auch aus dem Ausland reimportierte Simsons mit einer Höchstgeschwindigkeit von bis zu 60 Kilometer pro Stunde zulassungsfrei gefahren werden können. „Voraussetzung dafür wäre, dass die Fahrzeuge sich im technischen Ausrüstungszustand gemäß der fahrzeugspezifischen ABE der DDR befinden bzw. dieser Zustand hergestellt werden kann und darüber ein Nachweis durch einen Sachverständigen erbracht wurde“, heißt es in dem Text. Zudem solle geprüft werden, ob vereinfachte Zulassungsverfahren für den Umbau von Simsons auf Elektroantrieb möglich seien.

Der Brandenburger Landtagsabgeordnete Wolfgang Roick (SPD) fährt auf seinem Simson-Moped auf dem Alten Markt vor dem Landtag vor.

© dpa/Jens Kalaene

Doch die drei Fraktionen kommen mit ihrem Antrag spät. Schon Anfang November hatte der AfD-Landtagsabgeordnete Daniel Münschke seinerseits einen Antrag präsentiert, wonach sich die Landesregierung für eine Eintragung der Simson-Kleinkrafträder in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes und die Weltkulturerbeliste der Unesco einsetzen sollte. Zudem sollte die Höchstgeschwindigkeit für Kleinkrafträder generell auf 60 Stundenkilometer erhöht werden.

„Eine Simson ist ein Gefühl von Freiheit“, sagte Münschke. „Eine Simson ist das erste individuelle motorisierte Zweirad womit junge Menschen in ihre Unabhängigkeit, in ihre Freiheit gelangen.“ Junge Menschen hätten mit der Simson die Möglichkeit, handwerkliche Fähigkeiten zu entwickeln und sie nach ihren Vorstellungen zu gestalten.

Wolfgang Roick knattert derweil weiter über den Alten Markt. Dass er das Moped heute fahren kann, ist auch dem handwerklichen Geschick von ihm und vor allem seinen Sohn zu verdanken: Nach und nach ersteigerte er die Einzelteile bei einem großen Online-Auktionshaus. „Mein Sohn hat mittlerweile mehrere Mopeds, wir machen oft gemeinsame Touren“, erzählt Roick stolz. Seine eigene, alte S51b hatte er 1993 für 100 Mark verkauft. „Und das bedauere ich heute wirklich.“

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