Brandenburg: Das durchsichtige Gefängnis
Besuch in der neuen Haftanstalt Heidering: Es gibt keine Mauer, keinen Wachturm – und wohl auch kein Entkommen
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Großbeeren - Alles ist licht, alles ist hell und überall ist Glas. „Das Gebäude muss nicht auch noch die Strafe zum Ausdruck bringen“, sagt Anke Stein (41). Die Justizbeamtin ist Projektleiterin für Berlins neue Justizvollzugsanstalt Heidering in Großbeeren. Wenige Kilometer hinter der südlichen Stadtgrenze soll im Dezember der Probebetrieb aufgenommen werden, ab April werden die ersten Gefangenen hier im Brandenburgischen untergebracht. Ende 2013 wird die Haftanstalt dann mit 648 Strafgefangenen voll besetzt sein, die meisten mit Haftstrafen von längstens fünf Jahren.
Als die Entscheidung für den Neubau 1998 fiel, waren die Berliner Gefängnisse noch überbelegt. Aktuell sind sie es nur noch zu 90 Prozent. Von den 4 722 Haftplätzen sind 4 165 besetzt. Damit liegt Berlin ganz im deutschlandweiten Trend. Dennoch hält Berlins Justizsenatsverwaltung unter Senator Thomas Heilmann (CDU) den Neubau weiterhin für notwendig. Denn man will vorbereitet sein, falls doch einmal mehr Haftplätze gebraucht werden. Und damit kann auch das Haus III in der Justizvollzugsanstalt Tegel geschlossen werden. Bereits Ende 2009 hatte Berlins Verfassungsgerichtshof dort die Unterbringung von Gefangenen als menschenunwürdig gerügt, ein Großteil der Zellen ist gerade einmal sechs Quadratmeter groß. Dem Land Berlin drohen deshalb Tausende Entschädigungsklagen, in Einzelfällen belaufen sich die Forderungen auf mehrere Zehntausend Euro. Noch aber ist über keine der Klagen entschieden, sagte die Justizsprecherin.
In Großbeeren, wo Berlin das Grundstück 1881 als Stadtgut erwarb, wo einst Schafe weideten und Rieselfelder waren, wird nun alles anders. Es wird Berlins modernste Haftanstalt. „Wir haben so gebaut, dass wir die Anforderungen, die in zehn Jahren gelten, erfüllen“, sagt Projektleiterin Stein. Ihr Prinzip heißt: Volle Transparenz. Tatsächlich gibt es nur an der Zufahrt ein kleines Stück Mauer. Der Rest des 15 Hektar großen Geländes ist mit einem 1,7 Kilometer langen und sechs Meter hohen Doppelzaun umgeben. Ganz bewusst soll der Blick auf die grüne Umgebung frei sein – um die Hospitalisierung der Gefangenen zu verhindern. „Und wir wollen eine transparente Anstalt, wir haben nichts zu verbergen, das ist Teil der Gesellschaft.“ Und der Zaun ist sicher: Bei Tests haben sich selbst Spezialisten der SEK daran versucht. Sogar mit dem besten Werkzeug brauchten sie mindestens vier Minuten, um den Zaun zu knacken. Zeit genug, um den Ausbruch zu verhindern.
„Nach außen ist es sicher, nach innen transparent“, sagt Anke Stein. Durch die Bauweise des vom österreichischen Architekturbüro Hohensinn entworfenen Baus spare die Justiz Überwachungstechnik und Personal, Wachtürme gibt es nicht. „Wir wollen keine Subkultur, es gibt keine dunklen Ecken.“ Die zehn Quadratmeter großen, weiß gestrichenen Zellen sind mit großen Fenstern ausgestattet, viel Licht kommt hinein. Und es ist ein Gefängnis der kurzen Wege. Von den drei baugleichen x-förmigen Zellentrakten kommen die Gefangenen über eine verglaste Vollzugmagistrale überall hin – zu den 400 Arbeitsstellen, der Veranstaltungshalle, zum Religionsraum und den Sportanlagen. „Das ist alles streng menschenwürdig“, sagt die Projektleiterin. „Wir haben keinen Kerker mehr.“ Und alles bleibe im geplanten Kostenrahmen von 117,9 Millionen Euro.
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