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Vermisst  werden noch rund 1500 Exemplare der räuberischen Marderart.

© ddp

Brandenburg: „Das hat mit Tierschutz überhaupt nichts zu tun“

4000 Nerze aus Farm freigelassen / Bislang von den Tätern keine Spur / Naturschützer verurteilen Aktion

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Frankenförde/Luckenwalde - Im Landkreis Teltow-Fläming droht das ökologische Gleichgewicht aus den Fugen zu geraten - wegen Hunderter in freier Wildbahn umherlaufender Nerze. 4000 von ihnen waren am Wochenende nach einem Einbruch in eine Tierfarm in Frankenförde entkommen. Am Donnerstag wurden nach Angaben der Polizei noch rund 1500 Exemplare der Marderart vermisst. Die ursprünglich aus Nordamerika stammenden Tiere hätten einen „gravierenden negativen Einfluss“ auf das hiesige Ökosystem, sagte der Zoologe des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) in Brandenburg, Dietrich Dolch.

Seinen Angaben zufolge fressen Nerze Wildvögel und Fische, stellen aber auch Hühnern auf Bauernhöfen nach. Die Raubtiere fänden im Kreis Teltow-Fläming einen Lebensraum vor, „wo sie nicht hingehören“, betonte Dolch. Besonders ärgerlich sei der ungünstige Zeitpunkt ihres Ausbruchs: Momentan sei bei etlichen Vogelarten Brutzeit, deren Eier seien für die Nerze ein gefundenes Fressen.

Gütlich getan haben sich die Tiere Berichten zufolge auch schon in der Nähe der Farm. In einem Hühnerstall auf dem Grundstück einer Pension im nahen Gottsdorf soll einer der Nerze sieben von acht Hühnern getötet haben. Wie eine Polizeisprecherin am gestrigen Donnerstag bestätigte, haben die Mardertiere inzwischen bereits mehrere Hühner und anderes Geflügel in der Gegend gerissen.

Bemerkt wurde die mutmaßliche Befreiungsaktion vom Sonntag rein zufällig: Während einer nächtlichen Streifenfahrt gegen 3.30 Uhr stießen Polizisten auf einer Straße nahe Frankenförde auf zahlreiche „orintierungslose“ Nerze. Wer hinter der Tat steckt, ist dagegen nach Polizeiangaben weiter unklar. Es werde weiterhin intensiv allen Hinweisen nachgegangen, sagte die Polizeisprecherin.

Im Internet kursiert ein Video von einer Nerz-Befreiungsaktion durch militante Tierschützer. Ob dieses von der Tat am Wochenende stammt, ist aber laut Polizei noch unklar. Am Ende der Aufnahme soll allerdings kurz das Logo der Dortmunder Tierrechtsorganisation „Die Tierbefreier e.V.“ zu sehen sein. In einer zweiseitigen Erklärung distanzierte sich die Gruppe gestern jedoch ausdrücklich von der Tat. Wie „Die Tierbefreier“ weiter bekanntgaben, hätten sie bereits Anfang der Woche eine E-Mail erhalten, in der sich eine Gruppierung namens „Tierschutz Einsatz Kommando (TSEK)“ zu der Aktion bekannt haben soll.

Es ist nicht das erste Mal, dass entkommene Nerze für Schlagzeilen sorgen: Zum Beispiel hatten im Herbst 2007 Unbekannte in einer Zuchtfarm in der Altmark (Sachsen-Anhalt) Käfige aufgebrochen. Die Folge: Rund 15 000 Tiere machten sich damals davon.

Der Besitzer der Farm in Frankenförde, Alfons Grosser, der zudem Vorsitzender des Zentralverbandes Deutscher Pelztierzüchter ist, zeigte sich überzeugt, dass sein Betrieb Ziel militanter Tierschützer geworden ist. Diese hätten mit ihrer Tat eine „Riesenkatastrophe“ ausgelöst, sagte der Züchter. Mehrere Mitarbeiter seien rund um die Uhr damit beschäftigt, die Tiere einzufangen. Viele könnten aber nur noch tot eingesammelt werden - von Autos überfahren oder von Anwohnern erschlagen. Bereits jetzt schätzt Grosser den wirtschaftlichen Schaden für seinen Betrieb auf 180 000 Euro. Und auch in der Natur hätten die Täter einen „unglaublichen Schaden“ angerichtet.

Auch der Naturschutzbund distanzierte sich von der zweifelhaften Aktion der Tierschützer. „Das hat mit Tierschutz überhaupt nichts zu tun“, sagte Säugetier-Experte Dolch. Dies ändere nichts daran, dass die Haltung der Nerze in den „engen Drahtkäfigen“ der Zuchtfarmen aus Tierschutzsicht eine „Katastrophe“ seien. Verbandsangaben zufolge gibt es bundesweit 30 Nerz-Farmen mit 450 000 Tieren. mat/dpa/ddp

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