Brandenburg: Das vergessene Gefängnis
Tausende politische Häftlinge saßen zu DDR-Zeiten im Cottbuser Knast – gedacht wird ihrer nicht
Stand:
Cottbus - Es ist eine besondere Premiere in Brandenburg: Zum ersten Mal wird am Wochenende das berüchtigte Cottbuser Gefängnis in der Bautzener Straße, das bis 1989 eine der wichtigsten DDR-Haftanstalten für politische Gefangene war, für einige Stunden öffentlich zugänglich sein. Für tausende politische Gefangene war es zu DDR-Zeiten die letzte Station vor dem Freikauf in den Westen. Anders als beim „gelben Elend“ in Bautzen oder dem Zuchthaus Brandenburg/Havel sei „die dunkle Geschichte dieses Gefängnisses kaum bekannt“, sagt der CDU-Landtagsabgeordnete Dieter Dombrowski, der dort wegen „Vorbereitung zur Republikflucht“ und „staatsfeindlicher Verbindungsaufnahme“ selber für 20 Monate inhaftiert war, ehe er freigekauft wurde. Ein Schicksal, das er mit tausenden anderen teilte. Allein in Brandenburg sind nach Angaben der Landesregierung 17 557 ehemalige politische Gefangene der DDR registriert; wie viele davon in Cottbus saßen, ist nicht erforscht. Das Gebäude, das nach dem Fall der Mauer als JVA weiter genutzt worden war, steht seit 2002 leer. Es soll abgerissen werden.
Doch am kommenden Sonntag,dem 7. Oktober, einst Nationalfeiertag der DDR, wollen Dombrowski und andere frühere politische Häftlinge wie der Schriftsteller Siegmar Faust und der Arzt Reinhardt Ziggert von 11 bis 14 Uhr auf die Geschichte des Gebäudes aufmerksam machen und über ihre Erlebnisse berichten. An der Veranstaltung wird auch der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke, teilnehmen. Frühere Haft- und Arrestzellen sowie der Arbeitsbereich für die Zwangsarbeit sollen geöffnet werden. Eine Zelle, in der damals auf engsten Raum 28 politische Gefangene in Vier- Stock-Betten leben mussten, wird authentisch eingerichtet sein.
Die Haftbedingungen in Cottbus waren besonders berüchtigt. Die DDR-Justiz sperrte hier vor allem „Grenzverletzer“, Ausreisewillige und Mitglieder von kirchlichen Friedensgruppen ein. Für 600 Häftlinge vorgesehen, wurden zeitweise bis zu 1400 Menschen in dem Gefängnis zusammengepfercht. Zum Ende der DDR war nach Historikerangaben nur noch jeder fünfte Cottbuser Häftling kriminell, alle anderen saßen wegen politischer Delikte ein. So hatte sich im Oktober 1978 auf dem Gefängnishof ein 26-Jähriger, der wegen versuchter Republikflucht zu zwei Jahren und acht Monaten verurteilt worden und an der Haft offensichtlich zerbrochen war, mit Farbverdünner übergossen und angezündet. An den schweren Brandverletzungen stirbt er wenig später. Nach 1990 wurden einige der schlimmsten Wärter wie der „Texaner“, der „Rote Terror“ und „Arafat“ wegen Misshandlungen von Häftlingen zu Haftstrafen verurteilt.
Eine Gedenkstätte, die an all das erinnert, gibt es nicht. Auch die Stadt Cottbus habe sich nie darum gekümmert, so Dombrowski. Für ihn und andere frühere politische Häftlinge ist dies symptomatisch für den Umgang mit DDR-Unrecht in Brandenburg überhaupt,dem einzigen ost-deutschen Bundesland, in dem es nach 1990 keinen Stasi-Landesbeauftragten gab. Dombrowski ist sich mit anderen früheren Häftlingen einig, dass zur Aufarbeitung „besonders wenig geschehen“ sei. So spiele die dunkle Seite der DDR im Schulunterricht kaum eine Rolle: „Zur Jugendweihe fahren die Klassen selbstverständlich nach Sachsenhausen, aber nicht in die Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen. Aber beides wäre wichtig.“ Damit sich dies ändert, soll am Sonntag eine „Cottbuser Erklärung“ verabschiedet werden. Darin werden konkrete Schritte zur Erinnerung an die Opfer der SED-Diktatur in Brandenburg gefordert - durch die Stiftung brandenburgische Gedenkstätten, Universitäten und Institute wie dem Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschungen, aber auch die Landeszentrale für politische Bildung.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: