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Er war Kult: Achim Mentzel starb am Montag mit 69 Jahren.

© Jens Kalaene/dpa

Trauer um Achim Mentzel: Das zottelige Zonenmonster ist tot

Er nannte sich selbst die "singende Spreewaldgurke". Tatsächlich war er Kult, denn er konnte über sich selbst lachen. Am Montag starb Achim Mentzel in Cottbus im Alter von 69 Jahren.

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Berlin - Seine Lieder hießen „Gott sei Dank ist sie schlank“, „Hier fliegt heut die Kuh“, „Meine Lieblingsworte heißen Sahnetorte“ und „In Arsenal ist Damenwahl“. Und er nannte sich selbst - als Hinweis auf seine Wahlheimat - die "singende Spreewaldgurke". Am Montag ist der ostdeutsche Unterhaltungskünstler Achim Mentzel im Alter von 69 Jahren völlig überraschend in Cottbus gestorben. Das hat seine Frau Brigitte bestätigt. Zuvor hatte die „Bild“-Zeitung darüber berichtet. Zu Hause habe er sich plötzlich nicht wohlgefühlt. Sie habe den Notarzt gerufen, der ihren Mann noch reanimiert habe, sagte Mentzels Frau. Dann sei er per Rettungswagen ins Krankenhaus nach Cottbus gekommen, wo er gestorben sei. Mentzel war in vierter Ehe verheiratet. Er hatte acht Kinder.

Nina Hagen, Fernsehshows und Schlager

Der gebürtige Ostberliner galt als Stimmungskanone und Vollblut-Entertainer. Die humorvolle Art von Achim Mentzel kam bei seinem Publikum gut an. Er spielte in verschiedenen Musikgruppen, überwiegend Schlager. Kurz nach dem Krieg 1946 in Ost-Berlin geboren, wuchs er im Stadtteil Prenzlauer Berg auf. Auf Rat seiner Eltern lernte er erstmal das Handwerk des Polsterers. Allerdings musizierte er früh. Mit 15 Jahren rockte er mit dem Diana-Schau-Quartett durch Ostberliner Kneipen. Die Songs der Beatles und der Rolling Stones, gepaart mit Mentzels exzessiven Auftritten, waren beim Publikum beliebt. Bei den SED-Genossen nicht - es folgte ein Spielverbot mit 17 Jahren.   

Mit 18 ging er als Versorgungsfahrer zur Armee und spielte mit der Transportbataillon-Kombo in Dorfdiskos. Mentzel entschied sich für die Stimmungsmusik, „weil ich niemandem meine Texte vorlegen wollte“. Die politisch unverfänglichen Lieder ermöglichten auch Engagements in Westberlin, so 1973 mit dem Alfons-Wonneberg- Orchester, als er plötzlich im Westen blieb.  „Vor einem Auftritt dort holte der Schlagzeuger plötzlich seine Klamotten aus der Pauke und seine Papiere aus der Trommel. Ich fragte, was er macht und er sagte, „Na ich bleibe hier““, erzählte Mentzel mal. Er schloss sich spontan an und wohnte kurzzeitig bei Verwandten im Saarland. Nach wenigen Monaten zog es ihn aber wieder heim in die DDR. 

Sein größter Erfolg auch im Westen: "Achims Hitparade"

Zehn Monate Gefängnis auf Bewährung kostete ihn der Ausflug in den Westen. Zurück in der DDR, lernte Mentzel in Berlin die Sängerin Nina Hagen kennen, die ihn während seines Westausflugs in der Band vertreten hatte. Gemeinsam mit ihr gründete er 1974 Fritzens Dampferband. Zwei Jahre später begann Mentzels Solokarriere als Volks- und Stimmungsmusiker. Es folgten Auftritte im DDR-Fernsehen, die erste LP, und mit der Wende 1989 hatte er noch einmal Glück: „Ich war gefragt im Westfernsehen und hatte mit „Achims Hitparade“ am 23. November 1989 meine erste eigene TV-Sendung.“ Immerhin 17 Jahre lang war er damit auf dem Bildschirm zu sehen. Damit wurde er über den Osten Deutschlands hinaus bekannt.  Zu seinem 65. Geburtstag vor viereinhalb Jahren sagte Mentzel: „Ich hatte richtig Glück, privat und beruflich.“ Es liege nun mehr hinter ihm als vor ihm, sagte er damals, „das macht nachdenklich, aber ich würde alles wieder genauso machen“.   

Mentzel war der erste, der Kalkofes Persiflagen mit Humor nahm

Sein Freund Oliver Kalkofe nannte den Unterhaltungskünstler auch mal „das zottelige Zonenmonster“. Kalkofe persiflierte in seiner Sendung „Kalkofes Mattscheibe“ regelmäßig Mentzel und die Interpreten in dessen Show. Allerdings war Mentzel der erste Künstler, der Kalkofes Kritik mit Humor nahm und sich mit ähnlichen Aktionen in seiner Show revanchierte. Daraus entwickelte sich eine Zusammenarbeit – und eine Freundschaft. Mentzel trat in diversen Sendungen von Kalkofes Mattscheibe auf und war seitdem mit Kalkofe auch privat befreundet. In einem Interview sagte Kalkofe im Jahr 2012: „So was wie Achim Mentzel wird heute leider nicht mehr hergestellt. Früher ließ man noch Charakterköpfe auf den Sender, egal was für bescheuerte Quadratschädel das waren. Heute gibt es fast nur noch Moderatoren, die gleich und nett aussehen, problemlos funktionieren und sprechen können ohne hinzufallen - dafür aber völlig austauschbar.“ 

Kalkofe: "Mein Freund Achim ist im Gurkenhimmel"

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat sich betroffen gezeigt über Mentzels Tod. „Achim Mentzel war Kult. Mit seinen Fernsehshows und Bühnenauftritten schenkte er vielen Menschen über Jahre fröhliche Stunden. Er war auch ein Entertainer, der über sich selbst lachen konnte. Das ist durchaus nicht selbstverständlich“, sagte Woidke am Montagabend in Potsdam. Und er war einer, der sich nicht zu schade war für kleine Auftritte in der Brandenburger Provinz, selbst auf dem Oberhavel-Bauernmarkt in Schmachtenhagen sang er voll er Inbrunst und machte Stimmung.

Selbst Rainald Grebe erwähnte einst in seinem Brandenburgsong Mentzel, der in Schwedt singen soll, aber den Auftrittsort nicht findet, ein Autohaus. Grebe sang: "Im Adlon is' Brad Pitt und der Washington Denzel. Im Autohaus in Schwedt is' heut Achim Menzel." Und dann: "Im Adlon is' heut' Nacht Hillary Clinton. In Schwedt kann Achim Menzel das Autohaus nicht finden. Oh Brandenburg." 

Kalkofe schrieb am Montagabend über den Kurznachrichtendienst Twitter: „Bin völlig fertig, weine und habe keine Worte. Mein Freund Achim ist im Gurkenhimmel. Danke für alles!“. (mit dpa)

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