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Die Enquete-Kommission im Landtag in Potsdam.

© Bernd Settnik/dpa

Aufarbeitung in Brandenburg: DDR-Enquete: Müller-Enbergs reicht Minderheitenvotum ein

Die Enquete-Kommission des Landtags sollte den Umgang mit der DDR in Brandenburgs Nachwendejahren aufarbeiten. Der Wissenschaftler Helmut Müller-Enbergs aber stellt dem Gremium ein schlechtes Zeugnis aus: Es wurde erneut verklärt und verschwiegen. Die PNN dokumentieren das Minderheitenvotum in Auszügen.

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Potsdam - In der DDR-Enquete-Kommission des brandenburgischen Landtags, die am 21. Februar ihren Abschlussbericht beschlossen hat, gibt es nun doch noch ein Minderheitenvotum. Der Politologe Helmut Müller-Enbergs habe das Papier nachträglich eingereicht, nachdem er dem Abschlussbericht zunächst zugestimmt hatte, hieß es am Montag im Landtag in Potsdam.

Das Votum sei kurz vor Fertigstellung der Landtagsdrucksache am 3. März um sechs Uhr morgens per Mail eingegangen, hieß es. Müller-Enbergs saß für die Grünen als Sachverständiger in der Kommission zur Aufarbeitung des Umgangs mit der DDR-Vergangenheit nach 1990.

In seinem Minderheitenvotum, das am Montag in Auszügen von den „Potsdamer Neuesten Nachrichten“ veröffentlicht wurde, kritisiert der Politologe, die SED-Diktatur sei nur unzureichend aufgearbeitet worden. Die Kommission habe „mehrheitlich ihr mangelndes Interesse an einem Kernpunkt ihres Auftrages, der Geschichte der SED-Diktatur“, dokumentiert.

DIE PNN DOKUMENTIEREN: LESEN SIE HIERAUSZÜGE DES MINDERHEITENVOTUMS EXKLUSVI BEI PNN.DE - "Dieses entsetzlich quälende, lange Schweigen"

In der Enquete-Kommission habe keine „Kultur des Schweigens, sondern des Verschweigens“ geherrscht, schreibt Müller-Enbergs. So sei hingenommen worden, dass Ministerien Akten vor Gutachtern zurückgehalten oder versteckt hätten. Schon beschlossene Untersuchungsfragen seien teilweise ausgeblendet worden. Zudem wirft Müller-Enbergs der Kommission „eine Kultur der 'Lücken' im Abschlussbericht“ vor.

Die Enquete-Kommission „Aufarbeitung der Geschichte und Bewältigung von Folgen der SED-Diktatur und des Übergangs in einen demokratischen Rechtsstaat im Land Brandenburg“ kommt am Freitag nach mehr als dreieinhalbjähriger Arbeit zum letzten Mal zusammen. Bei der 40. Sitzung des Gremiums soll der mehrere hundert Seiten umfassende Abschlussbericht mit zahlreichen Handlungsempfehlungen an Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) übergeben werden. Anfang April befasst sich der Landtag mit dem Bericht.

Die Kommission spricht sich unter anderem für weitere Stasi-Überprüfungen von Abgeordneten, mehr Zeitzeugen im Schulunterricht und mehr Hilfen für Opfer aus. Empfohlen wird auch, SED, Blockparteien und vormilitärische Organisationen der DDR bei der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit stärker in den Blick zu nehmen. Die Debatte über die politische Verantwortung im SED-Staat sei bisher zu stark auf die Stasi-Mitarbeit verkürzt worden, heißt es im Abschlussbericht.

Yvonne Jennerjahn

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