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Umweltermittler der Polizei in Brandenburg: Dem Müll auf der Spur
Brandenburgs LKA-Umweltermittler erhöhen den Druck auf illegale Entsorger. Neuer Schwerpunkt ist die europaweite Müllmafia. Die Spezialisten der Polizei fordern deshalb mehr Kompetenzen - wie die Telefonüberwachung.
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Wollin/Potsdam - Am frühen Mittwochmorgen rückten die Ermittler auf dem Rastplatz Temnitz-Wendgräben auf der A2 bei Wollin in Potsdam-Mittelmark an. Es war keine gewöhnliche Verkehrskontrolle. Die Beamten des Kommissariats für schwere Umweltkriminalität im Landeskriminalamt (LKA), Mitarbeiter des Landesumweltamtes, der Sonderabfallgesellschaft Brandenburg-Berlin und des Bundesamtes für Güterverkehr haben es auf illegale Mülltransporte abgesehen. Den großen Fang haben die insgesamt 21 Polizisten und 16 Spezialisten der Umweltbehörden unter den 50 kontrollierten Lastwagen und Transportern nicht gemacht, bei zwei Lastwagen stellten sie abfallrechtliche Verstöße fest, es handelt sich nur um Ordnungswidrigkeiten.
Müllparadies Brandenburg
Was Harry Jäkel, der Chef der insgesamt zehn Umweltspezialisten im LKA, mit der Kontrollaktion erreichen will, ist vor allem die Wirkung – gerade in Brandenburg, das über Jahre als Müllparadies galt. Wo Geschäftemacher Millionen Tonnen illegalen Müll über Jahre in Kiesgruben verklappten oder in angeblichen Recyclinganlagen riesige Müllberge aufbauten. In der Entsorgungsbranche sagt man, Müll sucht sich das billigste Loch. Und das war für die Müll-Mafia in Brandenburg. Mehrere sogenannte Müllpaten erlebte das Land. Irgendwann reichte es den Behörden – 2011 wurde das Kommissariat Schwere Umweltkriminalität gegründet.
Der Druck hat gewirkt, nur bei der Justiz zieht sich die Verfolgung und Bestrafung jener hin, die mit dem Müll handelten und ihn in Brandenburg verklappten. Jäkel sagte, die Zahl der Fälle von sogenanntem unerlaubten Umgang mit Abfällen in Anlagen sei zwar um vier Prozent gestiegen. Doch die Menge des illegalen Mülls, der in Brandenburg landet, ist zurückgegangen, jedenfalls das, was die Umweltbehörden und Polizeibeamten finden. Die ganz großen Strukturen, die laut Jäkel über Jahre von Erzeugern, Maklern und Grubenbesitzern unbehelligt aufgebaut werden konnten, die großen Müllpaten, wie sie es noch vor zehn Jahren gab, sind es nicht mehr. Auch die Branche lernt schließlich hinzu, ein Beispiel: Anfangs lagen nur 50 Zentimeter Erde auf illegalen Deponien in Kiesgruben, später waren es mehrere Meter. Um zu verhindern, dass die Polizei per Hubschrauber mit Wärmebildkamera das Lager findet.
148 illegale Mülldeponien in Brandenburg
Jäkel will jetzt viel früher ansetzen mit seinen Ermittlern, „damit es gar nicht mehr dazu kommt“. Zwar stoßen die LKA-Ermittler noch immer auf illegalen Müll in Kiesgruben oder finden im Wald eingeleiteten Klärschlamm aus Biogasanlagen, es laufen mehrere große Verfahren. Doch das ganz große Ding ist wohl nicht mehr dabei, wie Jäkel andeutete. Immerhin gibt es nach den neuesten Zahlen, die das brandenburgische Umweltministerium nach Recherchen von PNN und Correctiv nach oben korrigieren musste, 148 illegale Mülldeponien in Brandenburg. Die wenigsten sind bereits beräumt. Nach einer Liste aus dem Jahr 2010 waren es noch 108 illegale Abfalllager, kürzlich schob das Umweltministerium weitere Listen nach: Darauf sind 40 weitere Deponien zu finden, bei denen noch nicht einmal komplett Proben genommen wurden.
Jeder Punkt ein Abfalllager. Wie viele Tonnen Müll sich in verschiedenen Orten in Brandenburg befinden - und was die Sanierung der illegalen Deponie kosten würde, zeigt diese Karte >>
Für die bisherigen Erfolge führt Jäkel weitere Gründe an. Die Zusammenarbeit mit Landesumweltamt und Landesbergamt, das für die Kiesgruben und Alt-Tagebaue zuständig ist, wo Mitarbeiter in Korruptionsskandalen mit der Müllmafia verwickelt waren, laufe jetzt besser. Hinzu kommen auch Bürger und örtliche Initiativen, die bei jedem Verdacht jetzt schneller die Behörden einschalten.
Europaweiter Handel mit Müll
Die illegale Entsorgung von Bauindustrieabfällen ist wie vor Jahren in Brandenburg noch immer ein Schwerpunkt für Jäkel. Doch neue Schwerpunkte kommen hinzu, etwa bei erneuerbaren Energien wie bei besagter Biogasanlage. Ein wachsender Markt ist der europaweite Handel mit Müll. Auch so ein Grund für die Kontrolle: um Einblick in die Transportströme zubekommen. In einem Lastwagen, der auf dem Weg von Großbritannien nach Polen war, fanden die Beamten diversen Plastikmüll, deklariert war er als Verpackungsmüll. Es handelt sich um einen Verstoß beim grenzüberschreitenden Abfalltransport. Doch die Ermittler stellten fest, dass am Ziel, einer Müllverarbeitungsanlage in Krakau, das komplette Transportgut verarbeitet werden kann. In einem anderen Fall fanden sie in einer Ladung angeblich unbehandelter Holzspäne aus Sachsen-Anhalt auch belastete Reste von Pressholz. Ziel war eine Laminatfabrik in Polen. Nun werden die Behörden in Sachsen-Anhalt eingeschaltet.
Das schmutzige Geschäft mit illegalem Müll wurde zum Teil auch verdrängt – ins Ausland, wo die Entsorgung noch billiger zu haben ist, sich selbst die Transportkosten rechnen. Derzeit ermitteln die LKA-Spezialisten auch in einem Verfahren, bei dem es um groß angelegte Transporte von Elektroschrott und Altautos gehen soll, etwa nach Polen. Da hofft Jäkel auf eine bessere Zusammenarbeit mit dem Nachbarland. Auch bei anderen Ermittlungsfällen. „Ein großes Verfahren läuft“, sagte er. Es gehe um Hinweise, dass mehrere Tausend Tonnen Müll aus Brandenburg nach Polen geschafft wurden.
300 Millionen Euro: Es geht auch ums Geld
Eine Erkenntnis des Tages für Jäkel: Es soll jetzt wieder mehr mobile Kontrollen von Abfalltransporten geben. „Die Szene soll wissen, dass wir aktiv sind“, sagte der 56-jährige Kriminalhauptkommissar. „Die Polizei muss rechtzeitig agieren, damit Schäden gar nicht erst entstehen, die eine Gefahr für Leib, Leben und Umwelt sind. Wir wollen so früh wie möglich an die illegalen Entsorger heran.“ Und es geht auch ums Geld: Mehr als 300 Millionen Euro dürfte die Beräumung der bisher bekannten illegalen Deponien im Land kosten.
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Und der Kriminalhauptkommissar hat noch einen Wunsch. Denn die Ermittlungen seien komplizierter geworden. Die illegalen Müllentsorger - es sind nicht die großen Entsorger, sondern meist kleinere Unternehmen, die am Rande der Insolvenz Gewinn machen wollen - seien auch nicht mehr so plump. Deshalb will auch Jäkel mit seinem Ermitttlerteam Telekommunikation, also Handy und Computer, überwachen dürfen. Das fordern nun alle Chefs der Umweltkommissariate in den Landeskriminalämtern gemeinsam. Damit wird sich dann die Innenministerkonferenz befassen müssen.
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