Brandenburg: Demontiert: Kaiser kündigt Rückzug an Linksfraktion:
Görkes Königinmord
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Potsdam - Nach sieben Jahren an der Spitze der Linke-Fraktion im Brandenburger Landtag gibt Kerstin Kaiser auf. Bei der regulären Wahl der neuen Fraktionsspitze in der kommenden Woche tritt sie nicht erneut als Fraktionschefin an. Gründe nannten der parlamentarische Geschäftsführer Christian Görke und Vize-Fraktions- und Landesparteichef Stefan Ludwig nicht. Kaiser selbst, die nach der Fraktionssitzung eilig den Landtag verließ, habe um vorläufiges Stillschweigen bis zur Fraktionsklausur Anfang kommender Woche gebeten. „Das respektieren wir“, sagte Görke, der Kaisers Nachfolger werden will. Seinen Posten als Parlamentarischer Geschäftsführer übernimmt Thomas Domres, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion. „Diese Entscheidung bedeutet keinen politischen Kurswechsel“, hieß es.
Aus Fraktionskreisen war allerdings von Königinmord die Rede. Görke habe eine Kampfkandidatur angekündigt und seit einiger Zeit daran gearbeitet, Kaiser zu demontieren, hieß es. Zugleich hatte die Fraktion am Dienstag Bilanz der bisherigen Arbeit in der seit Herbst 2009 regierenden rot-roten Koalition gezogen. Im Ergebnis soll Kaiser in einer halbstündigen Rede erklärt haben, nicht wieder anzutreten. Dabei soll sie den Träne nahe gewesen sein.
Zugleich war bereits seit einigen Wochen aus der Fraktion gestreut, dass es bei der Klausursitzung der Fraktion am Montag und Dienstag zum Wechsel kommen könnte. Grund sind seit Monaten im Raum stehende Vorwürfe, Kaiser führe die Fraktion nicht und setze keine inhaltlichen Wegmarken. Zudem wird ihr Versagen bei der Leitbilddebatte angelastet. Diese hatte sich Kaiser auf den Tisch gezogen, dafür die Enquetekommission zur DDR-Aufarbeitung verlassen – die Arbeit am Leitbild aber schleifen lassen. Deshalb gab es auch aus der Landespartei Druck auf Kaiser. Offenbar sollten jetzt schon weit vor der nächsten Landtagswahl die Weichen für die Spitzenkandidatur gestellt werden. In der Fraktion mehrten sich die Stimmen, die Linke könne es sich nicht noch einmal wie 2009 leisten, mit einer früheren Stasi-Informantin an der Spitze zur Wahl anzutreten. Eine erneute Stasi-Debatte müsse unbedingt vermieden werden.
Von Abgeordneten dagegen hieß es, es sei nicht nachvollziehbar, wenn für eine durchwachsene Bilanz nur die Chefin, nicht aber die gesamte Fraktionsspitze – also auch Görke – die Verantwortung übernehme und zurücktrete. Görke wird beim Koalitionspartner SPD als verlässlich geschätzt, ihm hängt aber der Ruf eines Strippenziehers an, der für den eigenen Vorteil auch keine Rücksicht auf Genossen nimmt. Zugleich murrt jetzt die Basis, wo Kaiser durchaus beliebt war und wo jetzt wilde Spekulationen wuchern – gerade weil sich die Fraktion über die Gründe für Kaisers Rückzug ausschweigt. Zudem befürchten viele, der bislang stabile Linke-Landesverband könnte jetzt in ähnliche Turbulenzen wie der Bundesverband geraten.
Der Koalitionspartner SPD war überrascht und hat offiziell mit dem Wechsel kein Problem. Die gute Zusammenarbeit werde weitergeführt, sagte SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher. Allerdings soll Ministerpräsident Matthias Platzeck, der auch SPD-Chef ist, irritiert reagiert und sein Missfallen geäußert haben. Angesichts der Flughafenkrise wolle Platzeck Ruhe im Stall haben, hieß es. Zudem verbindet Platzeck mit Kaiser auch Persönliches: Mit ihr hatte er den Koalitionsvertrag der ersten rot-roten Landesregierung in Brandenburg ausgehandelt. Es wäre sinnvoller gewesen, Kaiser die Arbeit als Fraktionschefin bis zum Ende der Wahlperiode machen zu lassen und einen anderen Spitzenkandidaten ins Rennen zu schicken. Geordnete Übergabe sehe anders aus, hieß es. Alexander Fröhlich
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