
© Bernd Settnik/dpa
Brandenburg: „Den Kern des Projektes aufgelöst“
Dokumentiert: Technikchef Amann hat erschreckend viele Gründe gefunden, die BER-Eröffnung abzusagen
Stand:
Der Brief, der am Freitag, dem 4. Januar, in der Staatskanzlei von Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) in Potsdam einging, hatte es in sich. BER-Technikchef Horst Amann hat darin die Eröffnung des BER für das Jahr 2013 – und wohl auch für 2014 – abgesagt. Die Mängel, die er gefunden habe auf der Baustelle, seien einfach zu groß. Mehr als 500 Baumängel sind bisher bekannt, Amann listet den Aufsichtsratsmitgliedern der Flughafengesellschaft FBS nur beispielhaft Mängel auf – es sind zu viele. Doch schon die Beispiele zeichnen ein Bild von einer in Chaos und Nichtkontrolle versunkenen Baustelle, die ohne Weiteres nicht zu retten sein wird. Und auch das wird deutlich: Es wird nicht reichen, einen neuen Geschäftsführer und einen anders strukturierten Aufsichtsrat für die Flughafengesellschaft FBB zu installieren: Die FBB selbst ist ein Fall für einen Sanierer und gute Personalentwickler. In der Gesellschaft selbst fehlt es an wichtigen Stellen am nötigen Sachverstand, um solch ein Großprojekt zu wuppen und vor allem, um den Bau kontrollieren zu können – Amann listet dies als letzten Punkt unter „Organisatorische Defizite“ auf.
DAS ANSCHREIBEN
Die Brandschutzanlage
Amann macht in seinem Brief deutlich, dass der nun abgesagte Termin im Oktober 2013 mit der Brandschutzanlage, die „von der Baugenehmigung abweichend“ gebaut wurde, nur möglich gewesen wäre, wenn man sie in nicht hätte um- und „zurück-“bauen müssen und „keine wesentlichen Umprogrammierungen der Entrauchungsszenarien notwendig“ geworden wären. „Daher wurde bewusst das Risiko eingegangen, die Genehmigungsfähigkeit baulicher und technischer Anlagen über gutachterliche Stellungnahmen und Heißgasrauchversuche nachweisen zu lassen.“ Doch das alles ging schief – der Murks war derart gewaltig und umfassend, dass die Brandschutzanlage im Wesentlichen komplett neu geplant, programmiert und auch neu gebaut werden muss.
Der Rauswurf der Planer
Amann nennt auch Gründe für die Verzögerungen nach der Eröffnungsverschiebung im Mai 2012 – und zwar sehr deutlich. Verheerend muss sich demnach ausgewirkt haben, dass der Aufsichtsrat und die FBB-Geschäftsführung nach dem Fiasko im Jahr 2012 die Architekten und deren bauaufsichtsführende Projektgruppe BBI feuerten: „Insbesondere wurde der Kern des Projektes durch die Kündigung der pgbbi als Generalplaner und Objektüberwacher aufgelöst und nicht adäquat ersetzt.“ Sprich: Niemand hatte mehr den Überblick auf der Baustelle, Pläne und Wissen waren weg.
Der Mangel an Fachkompetenz
Die nach dem Rauswurf der PG BBI entstandene Wissenslücke konnte die FBB nicht selbst schließen, so Amann: „Auch der Ansatz, durch Rekrutierung der Fachabteilungen und deren Steuerung durch die FBB Abhilfe zu schaffen, ist gescheitert.“ Fazit: „Hieraus resultierte ein Projektstillstand über mehrere Monate. Zudem wurden „mögliche Auswirkungen auf Termine und Kosten nicht hinreichend erfasst, bewertet und kompensiert.“
Der Pessimistische Ausblick
Amann schließt den eigentlichen Brief dann mit einer pessimistischen Aussicht, die auch seine Äußerungen der vergangenen Tage, wonach wohl eher mit einer Eröffnung nicht vor dem Jahr 2015 zu rechnen sei, erklären. Denn er schließt nicht aus, dass bis auf die Außenhülle das gesamte Innenleben des Flughafens aufgerissen und eventuell ersetzt werden muss: „Im weiteren Schritt ist vertiefend zu prüfen und zu entscheiden, ob die bestimmenden Grundlagen für eine IBN (Inbetriebnahme; A.d.R.) des Flughafens noch weiterhin Bestand haben können oder ob ein vollständiger Umbau auf den Genehmigungszustand unumgänglich ist. Dazu gehören unter Umständen auch eine Vervollständigung der Erfassung des Bautenzustandes (z.B. Öffnen aller bereits verschlossenen Decken, Schächte, Böden und Wände) und eine entsprechende Umplanung der betroffenen Bereiche.“
DIE ANLAGE ZUM BRIEF
Nachfolgend dokumentiert: die Mängel, die Horst Amann im Anhang zum Schreiben an die brandenburgische Staatskanzlei unter vier Punkten aufgelistet hat.
1. Systemische Defizite/Mängel
Steuerung der Nachströmung der Entrauchung
Geschossübergreifende Entrauchung (Abweichung von der Genehmigung)
Entrauchung Gepäckausgabehalle, Aufzugs- und Maschinenräume etc.
Türen (Schließsysteme, Sicherheitsausstattungen, Unvollständigkeit Türliste, Überschließung)
Sprinkleranlage
Fehlende Brandschutzbeschichtung Stahltragwerk Ebene E3
Datenübertragungsnetze: BER LAN und LWL Netz (fehlende Redundanz)
Dämmung Kälteleitungen
Deckenhohlraumsanierung (Trassenbelegung, Rohrleitungen, Schottungen, Dämmungen)
Brandschutzmanagement (Kabelmanagement, Schottkataster, Betriebskennzeichnungssystem, Beschilderungssystem)
Betriebs- und Abnahmedokumentation Campus BER
Fehlende Verwendbarkeitsnachweise (ZiE und abgelaufene Zulassungen)
Pavillons: Unvollständigkeit der Ausführungsplanung
Sicherheitsstromversorgung im Bereich FGT
2. Genehmigungstechnische Defizite
Abgelaufene Zulassungen prüfpflichtiger Einbauteile
Abweichungsanträge (Legitimation des gebauten Zustandes in Abweichung zur Baugenehmigung)
Verwendbarkeitsnachweise der Firmen derzeit unvollständig
3. Vertragliche Situation
Der knappen Zeit geschuldet war es nur möglich, die Planer, Gutachter und OÜ (A.d.R. Objekt-/Bauüberwachung) lediglich auf der Grundlage von Dienstverträgen zu binden, was dazu führte, dass die Bestimmung des vertraglich geschuldeten Erfolges nicht möglich war und ist. Daher besteht hinsichtlich Terminen, Kosten und Qualitäten keine Haftung.
Vertragsabschlüsse Bosch/Siemens (getrennte Vergaben von Leistungen der Steuerungsfunktionen der Entrauchungsanlage an die Fa. Bosch und Siemens waren ein Fehler)
OÜ nach Kündigung der pgbbi (Vertragslage zum Großteil formal lückenhaft /z. B. Anerkennung der Angebote durch AVS's o. ä.); ein Teil der Verträge war unbefristet, wesentliche Teile waren bzw. sind befristet bis 31.12.2012 (bzw. 31.03.2013)
Zahlreiche noch zu verhandelnde und zu schließende Ergänzungsvereinbarungen sind bis heute Ursache der fehlenden Leistungsbereitschaft aller Firmen (Vergangenheitsbewältigung)
4. Organisatorische Defizite
Organisationsstrukturen der FBB (mangelnde Ressourcen und fachliche Eignung)
Unzureichende Aufstellung des Bauherren und der Gutachter
Mangelhafte Planungskoordination
Kündigung pgbbi
Passive (bis fehlende) Projektsteuerung WSPCBP
Massive Projektänderungen PNN
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