
© Kitty Kleist-Heinrich
Brandenburg: Der Büchertempelberg
Die neue Berliner Landesbibliothek könnte bis zu 350 Millionen Euro kosten
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Berlin - Die neue Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) auf dem Tempelhofer Feld wird für 270 Millionen Euro nicht zu haben sein. Vieles deutet darauf hin, dass die Kostenschätzung des Senats unrealistisch ist. „Ich halte es für wahrscheinlich, dass der Neubau am Ende 350 Millionen Euro kosten wird“, sagte die Grünen-Haushälterin Clara Herrmann dem Tagesspiegel. Unterlagen der Stadtentwicklungsbehörde, die dem Abgeordnetenhaus vorliegen, bestätigen diese Prognose.
So räumt die Senatsbaudirektorin Regula Lüscher in einer Vorlage für den Hauptausschuss ein, dass die bisher vorliegende „grobe Ermittlung des Kostenrahmens in dieser frühen Phase des Projekts mit einem noch relativ hohen Risiko behaftet ist“. Die 270 Millionen Euro beruhten auf dem Baupreisindex vom Februar 2013 „und berücksichtigen nicht die zu erwartenden Baupreissteigerungen bis zur geplanten Fertigstellung“ der Landesbibliothek. Außerdem teilte Lüscher dem Parlament mit, dass für „Unvorhergesehenes“ im Kostenplan nur ein Puffer von fünf Prozent der gesamten Bausumme vorgesehen ist.
Das entspricht zwar den rechtlichen Vorschriften. Angesichts der anspruchsvollen Architektur der neuen Landesbibliothek und der generellen Erfahrung mit öffentlichen Bauvorhaben sind fünf Prozent aber die untere Grenze. Rechnet man mit zehn Prozent „unvorhergesehenen Kosten“, wären das schon 13,5 Millionen Euro mehr. Viel gravierender sind aber die steigenden Baupreise: So wuchs der Preisindex in den vergangenen fünf Jahren um jährlich 2,2 Prozent, in den letzten zwei Jahren sogar um 3,1 Prozent jährlich. Aufgrund dieser Daten des Landesamts für Statistik errechnete die Finanzverwaltung des Senats bis zur geplanten Fertigstellung der Landesbibliothek im Herbst 2021 Gesamtkosten von 317 beziehungsweise 336 Millionen Euro. Zuzüglich eines realistischen Kostenpuffers ist der umstrittene Neubau bei 350 Millionen Euro angekommen.
Berücksichtigt werden muss außerdem, dass der Bau der Zentral- und Landesbibliothek noch in der ersten von fünf Planungsstufen steckt. Dem Kostenrahmen (270 Millionen Euro) folgt die Kostenschätzung, dann die -berechnung und der Kostenanschlag. Erst danach liegt die amtliche Kostenfeststellung vor. In diesem frühen Stadium geht die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung noch von einer Kostentoleranz „plus/minus 40 Prozent“ aus. Demnach könnte die Bibliothek sogar 380 Millionen Euro kosten.
Jetzt merken wohl auch die Regierungsfraktionen SPD und CDU, dass die bisherige Planung keine geeignete Grundlage für finanzielle Entscheidungen ist. Die Koalition vertagte am Mittwoch die Beratung über einen Schlussbericht der Stadtentwicklungsbehörde zum Bibliotheksbau auf den 19. März. Gegen die Stimmen der Opposition. Zumal die Senatsbaudirektorin Lüscher in ihrem Bericht einen Vorschlag machte, der kaum umsetzbar erscheint. Die Senatskanzlei werde „gegebenenfalls entscheiden, durch welche Änderungen des Raum-, Funktions- und Ausstattungsprogramms eine Reduzierung der Kosten erreicht werden kann, ohne den Kostenrahmen von 270 Millionen Euro zu überschreiten“, heißt es in dem Papier.
Demnach müssten 80 bis 100 Millionen Euro eingespart werden. Anschließend soll das Bauprojekt immer noch so aussehen wie eine funktionsfähige Landesbibliothek. „Das ist völlig lächerlich“, sagte die Grünen-Politikerin Herrmann. „Dann müsste man ganze Stockwerke weglassen.“ Für den Neubau liegen inzwischen preisgekrönte Entwürfe eines Architekturwettbewerbs vor, die nicht so aussehen, als könne man an ihnen beliebig herumdoktern.
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gab am Mittwoch keine Stellungnahme zum Kostenstreit ab. Ulrich Zawatka-Gerlach
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