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Brandenburg: Der Ex-Minister war gewarnt

Schon vor Jahren hat die Gefängnisleitung Schöneburg auf die Anrufe von Ex-Mandanten hingewiesen

Stand:

Potsdam - Brandenburgs früherer Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) hat die Kontakte zu einem Häftling und früheren Mandanten nach Angaben der Anstaltsleitung trotz Warnungen aufrechterhalten und seine private Handynummer nicht für Anrufe aus der Justizvollzugsanstalt Brandenburg/Havel sperren lassen. Im Rechtsausschuss des Landtages sagte der JVA-Leiter Hermann Wachter am Donnerstag, er habe Schöneburg schon vor Jahren auf die Problematik der Anrufe des Gefangenen Detlef W. beim Minister aufmerksam gemacht. „Aber der Minister hat keine Problematik gesehen, weil er nicht rangehe“, sagte Wachter. Auch die Fachabteilung im Justizministerium habe davon gewusst.

„Der Häftling und sein Freund sind ja mit ihren guten Kontakten zum Minister in der Anstalt hausieren gegangen“, berichtete Wachter. Das habe es den Mitarbeitern erschwert, die subkulturellen und kriminellen Aktivitäten der beiden zu unterbinden. Denn niemand der Mitgefangenen habe sich angesichts der Prahlerei von Detlef W. mit den Kontakten zu dem Minister getraut, gegen den Sexualstraftäter auszusagen. Wachter sagte, Schöneburg habe aber nicht auf seine Warnungen reagiert und erklärt, dass er die Anrufe ja nicht annehme.

Schöneburg war am Samstag im Zuge der Affäre um mutmaßliche Begünstigungen des Häftlings und seines früheren Mandanten Detlef W. zurückgetreten. Der 55-jährige Minister war früher Strafverteidiger und hatte den Sexualstraftäter und Kindsmörder von 2001 bis 2006 vertreten. Am Mittwochabend vergangener Woche hatte er eine geplante Verlegung des Häftlings aus dem Gefängnis in Brandenburg/Havel nach Cottbus persönlich und gegen die Voten seiner Fachleute gestoppt. Die PNN hatten den Fall und die enge Verbindung des Gefangenen zum Minister publik gemacht. „Ich habe mir vorzuwerfen, dass ich die Entscheidung selbst getroffen habe“, sagte Schöneburg am Sonnabend. Zudem sei es ein Fehler gewesen, seine Handynummer nicht für Anrufe aus der JVA sperren zu lassen.

Die Oppositionsparteien forderten ernste Konsequenzen aus der Affäre. „Das ist der größte Justizskandal in der Geschichte unseres Landes“, sagte der CDU-Abgeordnete Henryk Wichmann am Donnerstag im Rechtsausschuss. „Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ein verurteilter Schwerverbrecher den Justizminister auf seinem Handy anrufen kann, um sich Vorteile zu verschaffen.“ Auch die FDP-Rechtsexpertin Linda Teuteberg verlangte eine vollkommene Aufklärung über frühere Entscheidungen des Ministers: „Nicht einmal der Anschein der Beeinflussbarkeit darf in solch einem Amt entstehen.“

Keine Antwort bekamen die Abgeordneten auf die Frage, ob Schöneburg auch bei anderen früheren Mandanten eingegriffen hat. „Ich kenne die Liste seiner Mandanten nicht“, sagte Justizstaatssekretär Ronald Pienkny. Wichmann forderte daraufhin, solch eine Liste müsse angelegt werden, um Interessenkonflikte erkennen zu können. Dies lehnte der Abgeordnete und Linken-Landeschef Stefan Ludwig unter Hinweis auf das Anwaltsgeheimnis ab. Laut Pienkny gab es nur zwei Fälle, bei denen eine Sicherheitsverlegung per Ministerentscheid gestoppt wurde – neben Detlef W. war bei dem zweiten Fall kein Ex-Mandant Schöneburgs betroffen.

Die rechtspolitische Sprecherin der Linken, Margitta Mächtig, wies darauf hin, dass kein von den in der JVA einsitzenden Häftlingen nach Aussage des Anstaltsleiters vor dem Ausschuss Privilegien durch das Eingreifen des Ministers genossen hätten. Deshalb könne auch keine Rede von einem Justizskandal sein.

Im Januar wird sich der Rechtsausschuss erneut mit dem Fall Schöneburg beschäftigen. Wichmann forderte Umweltministerin Anita Tack (Linke), die derzeit in Vertretung das Justizressort führt, auf, die Fragen umfassend aufzuklären. „Ich habe erhebliche Zweifel, ob wir nicht einen noch viel größeren Justizskandal haben.“ A. Fröhlich/K. Peters

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