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Brandenburg: Der Ex-Senator schweigt beredt Sarrazin: Ortsverband beantragt Parteiverfahren

Berlin - Thilo Sarrazin denkt offenbar nicht daran, von seinem Vorstandsposten bei der Bundesbank zurückzutreten. Bundesbank-Präsident Axel Weber hatte dem früheren Berliner Finanzsenator am Wochenende indirekt den Rückzug nahegelegt, nachdem Sarrazin in einem Gespräch mit der Zeitschrift „Lettre International“ sich pauschal abfällig über Migranten geäußert hat.

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Berlin - Thilo Sarrazin denkt offenbar nicht daran, von seinem Vorstandsposten bei der Bundesbank zurückzutreten. Bundesbank-Präsident Axel Weber hatte dem früheren Berliner Finanzsenator am Wochenende indirekt den Rückzug nahegelegt, nachdem Sarrazin in einem Gespräch mit der Zeitschrift „Lettre International“ sich pauschal abfällig über Migranten geäußert hat. Ausgestanden ist die Angelegenheit noch lange nicht.

Am Montagmittag hielt Sarrazin in Berlin einen Gastvortrag mit dem Thema „Wahlergebnis – Welche Möglichkeiten gibt es?“ beim Mittelstandstag der Industrie- und Handelskammer (IHK). Auf seinem Weg ins Ludwig-Erhard-Haus erklärte er nur: „Sie können mich alle noch so erwartungsvoll angucken. Ich halte eine Rede und dann fahre ich nach Frankfurt.“ Im Übrigen verweise er auf seine Entschuldigung vom vergangenen Donnerstag. Zwei kleine Anspielungen auf die Affäre mochte er sich dann aber doch nicht verkneifen: „Ist ja toll, dass der Mittelstandstag so viele Medien anzieht“, verkündete er angesichts der Traube der Reporter zu Beginn. Und als er im Laufe seines Vortrages die erst zu optimistischen und dann zu pessimistischen Konjunkturprognosen der Wirtschaftsforscher Revue passieren ließ, lautete sein Fazit: Irren sei ungefährlich, solange sich auch die anderen irrten. Wenn dagegen ein Einzelner eine abweichende Meinung vertrete und diese sich als Irrtum erweise, sei er „nämlich der Dummkopf. Das lässt sich übrigens auf erstaunlich viele andere Bereiche übertragen“. Dafür gab es gedämpfte Lacher im Saal, während die Zuhörer ansonsten eine inhaltlich gewohnt brillante, aber von einem sichtlich angegriffenen Thilo Sarrazin vorgetragene Analyse erlebten. Häufiger als sonst suchte der für seinen Scharfsinn bekannte Ex-Senator nach Worten, obwohl er die wesentlichen Fakten zur Lage von Weltwirtschaft und deutschem Staatshaushalt offenkundig auch ohne Manuskript parat hatte.

Sarrazin ist seit Mai bei der Bundesbank in Frankfurt am Main – und will dort offenbar bleiben, wie sich zumindest einer vagen Andeutung entnehmen ließ: Er habe bereits ein paar neue Folien, sagte er in Anspielung auf seine Gewohnheit, sämtliche Sachverhalte anhand von Diagrammen zu erläutern. Die neue Foliensammlung wachse erst noch. Regulär läuft Sarrazins Amtszeit bis 2014.

Der aktuelle Fauxpas wiegt aber auch deshalb besonders schwer, weil Sarrazin laut einem Bericht von „Spiegel Online“ das umstrittene Interview vorab seinem Chef Weber vorgelegt hat. Der habe es als „völlig inakzeptabel“ kritisiert und die Veröffentlichung strikt abgelehnt – offenkundig vergebens. Ein Sprecher der Bundesbank wollte diese Darstellung auf Nachfrage ebenso wenig kommentieren wie die berufliche Zukunft von Sarrazin. Letztere dürfte auch davon abhängen, ob die Berliner Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung einleitet. Zumindest prüft sie den Verdacht; weitere Informationen waren am Montag nicht zu bekommen.

Auch in der SPD kommt auf Sarrazin einiger Ärger zu. Vom Ortsverband Alt-Pankow wurde ein „Antrag auf Einleitung eines Parteiordnungsverfahrens“ eingereicht, wie SPD-Fraktionsgeschäftsführer Christian Gaebler sagte, der auch Vorsitzender des Kreisverbandes Charlottenburg-Wilmersdorf ist – mit 2300 Mitgliedern der größte in Berlin. Das Verfahren gegen Sarrazin werde von einer dreiköpfigen Schiedskommission geführt und könne sich einige Wochen hinziehen. Die Konsequenzen könnten von der Einstellung über eine Rüge bis zum Ausschluss aus der SPD reichen. Stefan Jacobs

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