Brandenburg: Der Fall Scholl vor der Entscheidung Gegen Ex-Bürgermeister steht das Urteil bevor
Potsdam - Rund 100 Zeugen sind vernommen, Spuren bewertet, Videoaufzeichnungen gesichtet und Gutachter gehört worden. Nach mehr als sechs Monaten steht der Mordprozess gegen den früheren Kommunalpolitiker Heinrich Scholl (70) vor dem Abschluss.
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Potsdam - Rund 100 Zeugen sind vernommen, Spuren bewertet, Videoaufzeichnungen gesichtet und Gutachter gehört worden. Nach mehr als sechs Monaten steht der Mordprozess gegen den früheren Kommunalpolitiker Heinrich Scholl (70) vor dem Abschluss. An diesem Donnerstag stehen nach 29 Verhandlungstagen vor dem Landgericht Potsdam die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung an. Das Urteil hat Richter Frank Tiemann für den 7. Mai angekündigt. Dann entscheidet sich, ob den Richtern die Indizien für eine Verurteilung reichen - oder ob die Zweifel größer sind.
Der Ex-Bürgermeister von Ludwigsfelde (Teltow-Fläming) soll seine Frau Brigitte Ende Dezember 2011 erdrosselt haben – was er vehement bestreitet. Er hat jedoch kein Alibi – und am Tatort sind DNA-Spuren von ihm gefunden worden. Vor allem darauf basiert die Anklage. Scholls Verteidiger haben viele Versuche unternommen, die Indizien der Staatsanwaltschaft infrage zu stellen. Im Zentrum standen dabei die DNA-Spuren des Angeklagten. Mehrere Gutachter wurden befragt. Am Ende relativierte eine LKA-Expertin die Aussagen eines Kollegen.
Bleibt abzuwarten, wie Staatsanwalt Gerd Heininger die Aussagen im Schlussvortrag bewertet. Es wird der letzte Schlagabtausch sein in dem Prozess, den etwa 20 zumeist ältere Menschen aus Ludwigsfelde verfolgten. Smart und erfolgsverwöhnt – so kannten sie ihren Ex-Bürgermeister. In seinen 18 Jahren Amtszeit hat er viel bewegt. Einige nannten ihn deshalb „König Heinrich“ – ein steiler Aufstieg für den 1,59 Meter kurzen Mann, er brachte es vom Werkzeugmacher zum Projektleiter und gründete nach der Wende die SPD mit. Umso mehr hat seine Verhaftung Anfang 2012 die Menschen schockiert.
Scholl gab sich erst kämpferisch und suchte per Zeitungsanzeige nach Entlastungszeugen. Im Prozess schwieg er. Das ist sein gutes Recht und möglicherweise ein kluger Rat seiner Anwälte für den Indizienprozess. Für die Zuschauer war es jedoch ungewohnt. Die Miene meist versteinert, die Lippen schmal, der Blick gesenkt – vor Gericht erinnert wenig an das frühere Bild vom Macher der Region.
„Er wird mir zunehmend fremd“, sagte sein Adoptivsohn Matthias etwa zwei Monate nach Prozessbeginn. Mehrere Tage saß er seinem Vater im Gerichtssaal als Nebenkläger gegenüber. „Ich ziehe nicht gegen meinen Vater in den Krieg“, sagte der Bauingenieur im vergangenen Oktober vor Gericht. „Ich will wissen, was los ist.“ Als Sohn der Ermordeten erhält der Familienvater aus Solingen zunächst nicht mehr Informationen als Außenstehende. Er scheint weitergekommen zu sein: „Mein Mandant ist zu einer gewissen Überzeugung gelangt“, sagte sein Anwalt Sven Rasehorn. Der Jurist selbst geht von der Täterschaft Scholls aus.
In wenigen Tagen wird sich zeigen, ob die Potsdamer Richter der gleichen Meinung sind. Egal ob Verurteilung oder Freispruch – es ist davon auszugehen, dass das Urteil nicht rechtskräftig wird und beim Bundesgerichtshof landet. Eines scheint gewiss: Scholls einstiges Image ist zerstört – zu viel Privates kam ans Licht. Angefangen bei einer thailändischen Geliebten bis hin zu einem Buch mit seinen erotischen Fantasien und finanziellen Engpässen. Vor allem aber die Dominanz seiner getöteten Frau samt Erniedrigungen, die Scholl jahrelang ertrug, kratzten am Bild des Machers. Marion van der Kraats
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