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Saskia Ludwig.

© Karoline Wolf

POSITIONEN: „Der freie Geist ist eine preußische Tugend“

Eine Replik auf Alexander Gaulands „Land zwischen Oder...“

Stand:

Preußische Beamte, wie Stefan Fink, gab es auch 1990 in Brandenburg. Martin Walsers Roman beruht auf einem authentischen Fall, in dem der frühere Herausgeber der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ (MAZ), Alexander Gauland eine tragende Rolle als Staatssekretär spielt: Nach einer gewonnenen Landtagswahl versetzt der neue Staatssekretär Tronckenburg den altgedienten Beamten Fink zugunsten eines eigenen Parteigenossen. Der erfahrene Fink leidet unter dieser Ungerechtigkeit, ändern jedoch kann er daran nichts. Erst ein Verfahrensfehler Tronckenburgs, einhergehend mit der – frei erfundenen – Behauptung, über Fink seien Beschwerden eingegangen, die die Versetzung unumgänglich gemacht hätten, lassen den Beamten Fink zum Kämpfer werden. Nunmehr ist sein Fall für ihn zu einer Frage der Ehre geworden.

Um Ehre geht es offensichtlich auch in den Zeilen des früheren Herausgebers, wenn dieser versucht, seine eigenen Fehler in der Nachwendezeit auf eine vermeintlich proletarisierte, unmündige Bevölkerungsstruktur in Brandenburg abzuwälzen.

Gerade Anfang der 90er Jahre gab es in Brandenburg eine Aufbruchstimmung bei all jenen Bürgern, die es laut des Alt-Herausgebers nicht gab. Das waren die vielen Brandenburger, die nach dem Ende der letzten Diktatur gehofft hatten, endlich eigenverantwortlich, selbständig und mündig ihr Leben gestalten zu können. Sie wollten ihre Eigenverantwortung und ihre Leistungen in die Demokratie und die Soziale Marktwirtschaft einbringen.

Und genau dieses bürgerliche Engagement war dem im Text als „Preußen“ stilisierten Stolpe-Klüngel ein Dorn im Auge. Der typische Stolpe-Spruch, Hand in Hand mit Frau Hildebrand war nicht umsonst „Wir kümmern uns um Euch“. „Unsere kleine DDR“ wurde das Markenzeichen der Stolpe’schen Politik. Dass dies bedeutete, den weit verzweigten Tentakel der SED-Diktatur mit ihrer Stasi das Überleben zu sichern, hinterfragt der Alt–Herausgeber nicht.

Friedrich der Große, als wahrer Preuße, hätte hier jeden einzelnen Brandenburger in seiner freien Entfaltung unterstützt. Gedient hat diese mit Westmilliarden finanzierte sozialistische Behütung allein dem Machterhalt der Altkader im neuen System. Dieser systematische SPD-SED-Filz, der sich nun 21 Jahre später, auch in den Führungsebenen in allen Teilen der Verwaltung und selbst den Universitäten offenbart, festigte den Fortbestand einer „Herrschaftsform“, mit dem Ziel, die Brandenburger nicht in der neuen Zeit ankommen zu lassen. Mit der Hilfe, wie die jenes Alt-Herausgebers, konnte diese „Kleine DDR“ bis heute fortbestehen, deren Auswüchse und professionell organisierte Unterhöhlung der Demokratie in Brandenburg erst langsam zu Tage tritt.

Von jenen Glücksrittern aus dem Westen des Landes, die mit der Maueröffnung einen karrieretechnischen Lottogewinn erlebt haben, wäre zumindest zu erwarten gewesen, dass sie mit der Bewertung, der ihnen verliehenen, verantwortungsvollen Aufgabe, im Rückblick ehrlich umgehen. Keiner macht ihnen einen Vorwurf, die Lage hinsichtlich des immer noch funktionierenden Stasinetzwerkes falsch eingeschätzt zu haben.

Statt einer kritischen Selbstreflektion wird ein Manfred Stolpe (SPD) selig gesprochen, über den der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn sagt: „Ich würde mir wünschen, dass sich Stolpe heute nicht nur rechtfertigt, sondern sein Verhalten in der DDR noch einmal neu hinterfragt.“ Die Beschreibung eines alternativlosen Fortbestands dieser Klüngel-und-Stasi-Strukturen, mit Stolpes Ziehsohn Platzeck an der Spitze, ist der klägliche Versuch, sich vor der eigenen Verantwortung zu drücken. Diese heißt: Eine Vergangenheitsbewältigung zuzulassen, mit einer Auseinandersetzung mit der DDR-Diktatur, mit all ihren grausigen Merkmalen, wie die detaillierte Darstellung der Gewaltherrschaft, Morde und Folter im Auftrag des Systems, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, und nicht zuletzt das Mitläufer- und Denunziantentum zu thematisieren. Dann würde es endlich zu einer differenzierten Betrachtung kommen. Daran besteht bei den Profiteuren der Nachwendezeit bis heute kein Interesse und die Zahl derer, die noch bzw. wieder in verantwortungsvollen Positionen sitzen, reicht aus, um den Opfern der SED-Diktatur bis heute eine Rehabilitierung zu verwehren. Wenn es nach Platzeck und den vielen Mitläufern ginge, sollten sie weiter schweigen und mit ihrem erfahrenen Leid alleine gelassen werden.

Der Meinungsartikel des Alt-Herausgebers ist als Versuch zu werten, das „Stasi-System“ weiter zu legitimieren, in dem die Mächtigen von einst, immer noch an jeder beliebigen Stelle, wie in der Justiz, Macht ausüben oder ausüben lassen. Im Gegensatz zu seiner Analyse, gab es 1990 viele ehemalige DDR-Bürger – Brandenburger, die trotz zweier Diktaturen den Wert Familie, Heimat, Loyalität, Standhaftigkeit, Eigentum und bürgerschaftliches Engagement hochgehalten haben gegen all die widrigen Umstände und oft auch unter Lebensgefahr! Weder in Sachsen oder Thüringen waren die Menschen anders als in der Mark, sondern es wurde dort mit der friedlichen Revolution so umgegangen, wie man es damals auch hier erwartet hat.

Heute den Brandenburgern zu unterstellen, sie wären Sozialschmarotzer, in deren Folge der Brandenburger Weg unter Stolpe, Hildebrandt und Platzeck alternativlos war und ist, klingt mehr als befremdlich. Es ist nur eine logische Konsequenz, dass die noch vorhandene Bürgerlichkeit in der Mark nach wie vor der Klassenfeind der Platzeck-Regierung ist. Die ersehnte Auslöschung alles Bürgerlichen ist und bleibt das Ziel linker Ideologien. In Brandenburg zeigt sich das unter anderem mit dem systematischen Plattmachen der Privatschulen bis zum Schuljahr 2014/2015. Das offenbart diesen Fundamentalismus auf erschreckende Weise: Gemeinsam mit den SED-Linken will Platzeck, dass die freien Schulen, die nur zehn Prozent der Schüler in der Mark unterrichten, nun 70 Prozent der Einsparungen tragen sollen. Ziel ist die staatliche Einheitsschule, in der der Staat die volle Kontrolle über den Nachwuchs hat und jede Form von Individualität und Freiheit im Keim erstickt wird.

Jene Ideologie zeigt damit ihre hässliche Fratze, die sich sonst hinter dem Schlagwort der „Sozialen Gerechtigkeit“ geschickt versteckt! Einen früheren Herausgeber der MAZ wird diese Entwicklung freuen, bestätigt sich doch sein Bild vom unmündigen Brandenburger Proletarier, der keine Alternative hat. Auch werden auf diesem Weg jene kritischen Geister vermieden, die sich von ihren Lehrern Empfehlungen nach Literatur, wie über den preußischen Beamten Fink wünschen. So könnten die Mächtigen von Einst und ihre Ziehsöhne sich weiter in dem Glauben wiegen, allmächtig zu sein. Die Geschichte hat uns aber gelehrt, dass Fragen nach der Vergangenheit nicht dauerhaft zu unterdrücken sind. Dabei müssen es nicht immer Steine sein, die wie 1968, die Wahrheit ans Licht gebracht haben.

Ich glaube an die Macht der Freiheit. Sie wird die Wahrheit auch in Brandenburg ans Tageslicht bringen. Und der freie Geist ist nun wahrlich eine preußische Tugend!

Dr. Saskia Ludwig ist Vorsitzende der brandenburgischen CDU und der Fraktion ihrer Partei im Landtag

Dr. Saskia Ludwig

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