zum Hauptinhalt
Vom Umgang mit Geschichtsresten. In Brandenburg wagt sich Politik seit einem Jahr in die eigene Vergangenheit vor. In einer Enquete-Kommission wird die Nachwendepolitik und der Übergang von der Diktatur zum Rechtsstaat untersucht.

© Archiv

Vergangenheitsdebatte in Brandenburg: Der gute Blick zurück

Seit einem Jahr beschäftigt sich die märkische Politik mit der Nachwendegeschichte. Fast allen gefällt das

Stand:

Potsdam - Axel Vogel, der grüne Fraktionsvorsitzende im Landtag, spricht von einem „Erfolg für ganz Brandenburg“. Die seit einem Jahr arbeitende Enquete-Kommission des Parlaments zum Übergang von der SED-Herrschaft zur Demokratie hat sich aus Sicht der drei Oppositionsparteien gelohnt. Auch die Linke lobt die Arbeit, lediglich die SPD gibt sich skeptisch.

Vogel, dessen grüne Fraktion als erste ein solches Gremium angemahnt hatte, beobachtet eine ganz neue Form der Debatte zu dem Thema in Brandenburg. Für ihn ist dabei am wichtigsten, dass den einst von der SED Verfolgten gezeigt worden sei, „dass wir sie ernst nehmen“. Denn um die, nicht etwa um die früheren Stasi-Mitarbeiter gehe es seiner Fraktion bei der Rückschau vor allem. Erst jetzt, mit der parlamentarischen Aufarbeitung, beginne sich das Bild der Versäumnisse der letzten beiden Jahrzehnte abzurunden. „Nach Anfangsschwierigkeiten haben jetzt auch die Medien das Thema aufgegriffen“, sagt er mit Blick auf die anfänglich eher abfällige Kommentierung einer Tageszeitung im Südwesten des Landes.

Die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg sieht den größten Gewinn der Arbeit der Kommission ebenfalls in der breiten öffentlichen Debatte, die aus ihrer Sicht inzwischen stattfindet. Dies habe sich beispielhaft beim aktuellen Thema der Stasi-verstrickten Polizisten gezeigt, wo die Diktatur-Beauftragte des Landes, Ulrike Poppe, mit einer großen Veranstaltung ein Zeichen gesetzt habe und sich auch Innenminister Dietmar Woike (SPD) der Diskussion stelle. Die Arbeit der Abgeordneten und Wissenschaftler sei, was den Übergang zur Demokratie im Osten Deutschlands betrifft, ein Novum. Aber es müsse zur Normalität werden, dass die Ostdeutschen sich der jüngeren Geschichte generationsübergreifend „ohne Schwarz-Weiß-Malerei, aber mit dem Bemühen um Wahrhaftigkeit“ nähere. Die von der Kommission diskutierten wissenschaftlichen Gutachten hätten aufgezeigt, dass dringender Handlungsbedarf beispielsweise im Bildungsbereich bestehe, weil an den Schulen oft gar kein oder viel zu wenig Wissen über die DDR vermittelt werde. „Da ist noch viel zu tun, insbesondere auch bei denen, die bereits nach der zehnten Klasse die Schulen verlassen“, sagte die FDP-Abgeordnete.

Der CDU-Abgeordnete Dieter Dombrowski sagte, auch bei den Debatten um die Behandlung der Opfer der SED-Herrschaft und die Unterstützung von Gedenkstätten sei deutlich geworden, dass Veränderungen nötig werden. „Was Brandenburg bisher gemacht hat, war im Vergleich zu anderen Bundesländern unzureichend“, sagt Dombrowski und verlangte beispielsweise, dass bei Rehabilitierungsverfahren dem Beispiel von Sachsen und Thüringen gefolgt werde, wo es einfachere Möglichkeiten gebe, sich gegen als ungerecht empfundene Bescheide zu wehren. Diese Einschätzung wird auch von der Linkspartei geteilt, die am Freitag erklärte, es seien „Lücken“ bei der „Wiedergutmachung gegenüber den Betroffenen stalinistischer Verfolgung“ aufgedeckt worden, so die Fraktionsvorsitzende Kerstin Kaiser. Das Land müsse jetzt schnell handeln. Sie nennt die Arbeit des Gremiums „sinnvoll“ und sagt, die gemeinsame Arbeit von Abgeordneten und Wissenschaftlern könne „einen kritischen Blick auf die zurückliegende Entwicklung von zwei Jahrzehnten“ ermöglichen. Die Arbeit des Gremiums habe inzwischen aber auch gezeigt, dass Brandenburg nicht ein Land sei, „in dem frühere DDR-Eliten und Stasi-Mitarbeiter hofiert werden“. Und Kaiser erhofft sich von der weiteren Arbeit zusätzliche Erkenntnisse, die die „Lebenswirklichkeit“ der Menschen in Brandenburg widerspiegeln.

Eine durchweg kritische Einschätzung zur Enquete-Kommission kam dagegen vom SPD-Fraktionsvorsitzenden Ralf Holzschuher. Er spricht vom „Jagdfieber“ der Opposition und bemängelt die angeblich unzureichende Qualität einiger der wissenschaftlichen Gutachten und forderte Verbesserungen „um den Erfolg der Enquete-Kommission nicht zu gefährden“. Es habe noch nicht genügend „zukunftsgerichtet verwertbare Einsichten“ gegeben.

Die Kommission hat bislang insgesamt 29 Gutachten vergeben, von denen bislang allerdings nur der geringere Teil vorliegt. Sie wird von der SPD-Abgeordneten Susanne Melior geleitet, die – mit einer Ausnahme – die von den Wissenschaftlern vorgelegten Arbeitsergebnisse bislang sehr positiv würdigte.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })