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Brandenburg: Der Mann, der die Sabersky-Parzellen verkaufte, war auch NSDAP-Funktionär

TELTOW .Das Wort Jude kommt nicht über die Lippen.

TELTOW .Das Wort Jude kommt nicht über die Lippen.Die Leute sprechen lieber von den "Berliner Kaufmannsbrüdern".Auch der Begriff Ausländer ist tabu."Amerikanische Erbengemeinschaft", heißt es statt dessen umständlich.Zusätzliche Umschreibungen unterbleiben.Die Menschen in Teltow-Seehof an der Grenze zu Berlin-Lichterfelde geben sich wortkarg und tauen erst nach einer ganzen Weile auf.Journalisten gegenüber sind sie besonders skeptisch, nachdem eine Boulevardzeitung eine antijüdische und ausländerfeindliche Stimmung ausgemacht haben wollte."Völliger Quatsch", sagt Traute Herrmann aus der Max-Sabersky-Allee.Da seien Worte völlig aus dem Zusammenhang gerissen worden."In Teltow-Seehof gibt es keine antijüdische Stimmung."

Die "bösen und völlig absurden Unterstellungen" gehen auf die Geschichte des idyllischen Ortsteiles zurück, die ihn zum größten Fall von Rückübertragungsansprüchen in ganz Ostdeutschland machte.Eine aus 18 Personen und Familien bestehende jüdische Erbengemeinschaft aus den USA verlangt die Rückgabe von 850 Parzellen auf 84 Hektar Land.Fast 2000 Menschen sind davon betroffen.Sie können weder Kredite für ihre Häuser aufnehmen, Haus und Hof verkaufen, noch große Veränderungen vornehmen.Erst muß der Rückgabeanspruch endgültig geklärt werden.Doch das kann dauern.

Das Bundesverwaltungsgericht hob erst in der vergangenen Woche drei Urteile des Verwaltungsgerichtes Potsdam auf, das die Rückgabe abgelehnt hatte.Nun müssen die Richter weiter in der Geschichte zwischen 1933 und 1939 forschen und alle Einzelheiten für eine neues Urteil heranziehen."Klar ist die ganze Angelegenheit ärgerlich", sagte Traute Herrmann, die eine Bürgerinitiative vertritt."Wir wollen endlich eine Lösung, ganz sachlich, ohne Emotionen." So wie Familie Herrmann haben in den letzten Jahren alle Seehofer in alten Dokumenten gekramt, Fotoalben gewälzt, Archive besucht, Quittungen aus uralten Zeiten geglättet und in Geschichtsbüchern die von den Nazis erlassenen Gesetze studiert.Einige haben sogar alte Berliner Tageszeitunngen mit Verkaufsanzeigen aus Teltow-Seehof gefunden.Da ist von Quadratmeterpreisen zwischen 2,75 bis 3,50 Reichsmark die Rede, was durchaus der damals marktüblichen Größe entsprach.Doch ist dieser Preis damals tatsächlich an die Sabersky-Erben gezahlt worden? Der Makler Gloatz, der auch NSDAP-Funktionär war, kann nicht mehr befragt werden.Er starb vor Jahren.

Peter Sonnenthal, ein Enkel der Kaufmannsfamilie, sprach vor dem Bundesverwaltungsgericht von einer "zwangsweisen Veräußerung der Grundstücke während der Naziherrschaft".Es müßten deshalb alle Flächen zurückgegeben werden, sagte Sonnenthal.Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zur erneuten Beweisprüfung in zunächst drei Fällen bezeichnete er deshalb als richtungsweisend für noch mehrere hundert anhängige Verfahren.

Als äußerst erfreulich wird von den Gerichtsbeobachtern immer wieder das Verhältnis zwischen den streitenden Parteien bewertet.Hier ist nicht die Spur von Feindseiligkeiten auszumachen, die bei einem Streitwert von rund 500 Millionen Mark durchaus anzunehmen wäre.

Mit dem Kapitel Seehof abgeschlossen hat dagegen Dietrich Klembt.Dessen Vater kaufte im August 1935 ein Grundstück in Seehof."Um den vielleicht endlosen Gerichtsterminen aus dem Weg zu gehen, bin ich auf das Vergleichsangebot der Saberskys eingegangen und habe mir ihren Verzicht auf Rückgabeanspruch erkauft", erzählt der 68jährige."So konnte ich das Grundstück weiterveräußern." Doch viele könnten es sich nicht so leicht machen.So wie seine Eltern seien in den fünfziger Jahren viele Einwohner Seehofs ins nahe West-Berlin geflüchtet."In die Häuser sind Menschen aus der ganzen DDR gezogen, die in den Industriebetrieben Teltows Arbeit fanden.Sie sitzen jetzt zwischen allen Stühlen.Denn sie müssen sich sowohl mit Rückgabeansprüchen der Saberskys als auch von Erben der Käufer aus den dreißiger Jahren auseinandersetzen", sagt Dieter Klembt.Grundübel sei die Regelung "Rückgabe vor Entschädigung"."Wir wollen nur Gerechtigkeit", sagt Traute Herrmann zur Situation im kleinen Ort.Doch im Moment weiß noch niemand, wie diese einmal aussehen wird.

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