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Herz aus Gras. Rohwedder, 41, ist seit Herbst Stadionchef.

© André Görke

Brandenburg: Der Neue gibt Gras

Timo Rohwedder ist Chef im Olympiastadion. Sein erster Job: Er lässt den Rasen austauschen

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Berlin - Och, der Rasen? Zu dem ist alles gesagt. „Extrem bescheiden“ hat ihn Dortmunds Trainer Thomas Tuchel genannt und so sehr gejammert („Macht keinen Spaß“), dass Herthas Manager Michael Preetz via Twitter zurückstichelte: „Wir wollten unseren Rasen wechseln, aber jetzt lassen wir ihn liegen, bis ihr kommt“ – Ätsch! Hertha spielt ja bald wieder gegen Dortmund, im Pokal-Halbfinale. Ist also alles gesagt? Nicht ganz.

Timo Rohwedder, 41, steht an diesem Montag auf dem Fußballplatz im leeren Olympiastadion, streicht mit seinen Schuhen über das holprige grünbraune Etwas. „Wir haben mit Hertha geredet, wir tauschen den Rasen jetzt aus“, sagt Rohwedder, der neue Stadionchef, und beendet damit die Diskussion, die an so vielen Tresentischen munter diskutiert worden ist.

Nächste Woche kommen die Landschaftsgärtner mit dem neuen Rasen, der bisher in Mecklenburg wächst. Und nein, „freundliche Wunschbotschaften aus Dortmund hatten darauf keinen Einfluss“. Vor dem Spiel gegen Schalke wird das Grün verlegt, dann ist das Thema auch bitte erledigt. Rohwedder ist ja nicht als Gärtner gekommen, sondern als Geschäftsführer. Und er soll sich nicht um den Rasen kümmern, sondern um einen Landesbetrieb mit 25 Angestellten und zehntausenden Kritikern.

300 000 Touristen besuchen das Stadion im Jahr, auch wenn keine Spiele und Konzerte stattfinden, und es kommen noch ganz andere. „Wir wollen mehr Kongresse ins Stadion holen. Pro Jahr sind wir Gastgeber für 150 bis 200 Events – von der Modepräsentation bis zur Weihnachtsfeier.“ Neulich erst hat die Charité mit 2000 Gästen gefeiert im Vip-Bereich. „Kriegt keiner mit, ist aber unser Tagesgeschäft.“

Auch Berliner Schulklassen sollen öfter kommen. „Das Stadion ist ja selbst Unterrichtstoff“, sagt Rohwedder. „Hier kann man über Sport, also Gesundheit sprechen, über Geschichte sowieso, aber auch über Technik und Physik – wie funktioniert die Lichtanlage, wieso schwebt das Dach. Ich glaube, das könnte Schülern gefallen“, sagt er beim Spaziergang durchs Stadion. Er sollte es wissen, er ist selbst Vater. Bis zum Herbst hat er in Wolfsburg gearbeitet, 13 Jahre stand er dort beim Fußballklub VfL unter Vertrag. Dann wurde in Berlin plötzlich eine Stelle frei. Dem alten Stadionchef wurde 2014 vorgeworfen, einen zu teuren Dienstwagen zu fahren und bei Abrechnungen getrickst zu haben, wobei er später juristisch entlastet worden sein soll. Was genau der Grund für all die Verwerfungen war, wurde nie so richtig geklärt.

Jetzt hat der alte Chef einen neuen Job, und das alte Stadion einen neuen Chef. „Hertha ist der wichtigste Mieter“, sagt Rohwedder, als er die Kabine aufschließt. 2017 läuft der Mietvertrag mit dem Klub aus, bald stehen Verhandlungen an. „Natürlich freue ich mich über Herthas Erfolg“, sagt er. Nur: Wenn Hertha erfolgreich ist und unter der Woche im Europapokal spielt, „wird es für uns schwierig, Konzertveranstaltern Termine anzubieten. Der Bühnenbau dauert eine Woche, da wäre das Stadion komplett blockiert.“ Wenn nächstes Jahr also ein Musiker im August auf Tour geht, hat er vermutlich Pech – „Hertha hat Vorrang.“

Mehr als zwei, drei Konzerte gibt es eh nie in den warmen Monaten. „Mit Coldplay und Springsteen haben wir starke Gäste in diesem Sommer“, sagt Rohwedder. Die Kritik am Sound kennen sie, „aber unsere Anlage im Stadion wird gar nicht benutzt. Das Equipment gehört den Musikern. Pegeln die richtig ein, ist der Sound hervorragend.“ Als Rohwedder unten am Rasen steht, fällt der Blick auf die Laufbahn. Sieht auch nicht mehr ganz frisch aus, sie ist schon zwölf Jahre alt. Zur Leichtathletik-EM 2018 wird sie erneuert. Und bleibt blau.André Görke

André Görke

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