Brandenburg: Der Osten ist so nah
Thorsten Metzner
Stand:
Matthias Platzeck hat die Fusion abgeschrieben. Das hat Brandenburgs Regierender auf seinem Trip nach Österreich noch einmal klar gestellt. Neu ist das nicht. Es entspricht der Platzeck-Linie seit dem Karlsruhe-Urteil. Im Roten Rathaus hat es trotzdem die traditionellen Protest-Reflexe ausgelöst, die schon lange nur noch der Berliner Selbstbestätigung dienen, um eigene Ratlosigkeit zu übertünchen. Auch aus Berlin ist bislang ja keine realistische Idee zu vernehmen, wie die Märker ohne Bevormundung für ein gemeinsames Land gewonnen werden könnten. Das übliche Berlin-Brandenburger Pingpong also?
Etwas ist anders. Platzeck hat seine Absage erstmals mit einem strategischen Projekt verknüpft. Seine Botschaft: Statt Energien auf die noch lange aussichtslose Fusion zu verschwenden, sollten beide Länder nicht nur eng zusammenarbeiten – sondern vor allem die Kooperation mit den Nachbarn im Osten ausbauen, vor allem mit dem EU-Neuling Polen. Ein Ablenkmanöver? Was hat die Fusion mit Osteuropa-Pflege zu tun? Man könnte schließlich das eine tun, ohne das andere zu lassen. Auch Platzecks Reiseziele Niederösterreich und Wien, die getrennt prosperieren, taugen nicht als Beleg gegen ein Land. Es sind Österreichs stärkste Bundesländer. Erst durch eine Fusion Brandenburgs mit Berlin – oder auch noch mit Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt – könnte die hiesige Hauptstadtregion zu einem vergleichbaren politisch-wirtschaftlichen Kraftzentrum werden. Aber, und deshalb ist der Ansatz Platzecks richtig und realitätsnah: Solange das nicht möglich ist, muss man alle anderen Chancen offensiv nutzen – auch in östlicher Richtung. Die Realität? Die deutsche Hauptstadtregion hat ihre natürliche geopolitische Rolle als Ost-West-Drehscheibe in Europas Mitte bislang nicht angenommen. Man kann das auf das schwierige deutsch-polnische Verhältnis schieben, aber es wäre nur die halbe Wahrheit: Polen ist den Brandenburgern, aber auch den Berlinern, fremd, ja gleichgültig. Dass sich Berlin, Brandenburg gemeinsam mit Stettin, Posen und Breslau als zentraleuropäische Aufbruch-Region präsentieren, so wie jetzt schon Wien, Niederösterreich, Tschechien und die Slowakei? Pure Zukunftsmusik. Brandenburg mag sich redlich mühen, zarte politische Kontakte zu Nachbar-Woiwodschaften zu knüpfen, hat aber nicht einmal ein Außenwirtschaftsbüro in Polen. Und Berlin ist in dieser Hinsicht ein Totalausfall: Dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit ist Los Angeles allemal näher als Stettin, obwohl die nur eine Autostunde entfernte polnische Wachstumsmetropole auch für die Entwicklung Berlins so wichtig sein könnte. Dabei liegt der Osten so nah.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: