
© M. Thomas
Von Thorsten Metzner und Peter Tiede: Der Schaden
Das Land verkaufte die Krampnitzer Kasernen auf Grundlage eines überholten Gutachtens – viel zu billig
Stand:
Potsdam - Beim Verkauf des Kasernengeländes in Potsdam-Krampnitz ist dem Land Brandenburg – anders als von Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) behauptet – offenbar doch ein Millionen-Schaden entstanden. Denn nach Informationen der PNN haben sich das Land und die von ihr mit der Vermarktung einstiger Militärflächen beauftragte Brandenburgische Boden Gesellschaft (BBG) beim Verkauf des 112 Hektar großen Grundstückes in Seenähe an windige Investoren auch noch auf ein völlig veraltetes Wertgutachten gestützt, was die Chancen auf einen besseren Erlös bei der Ausschreibung von vornherein minimierte.
In dem Gutachten, nachdem das Grundstück im Jahr 2007 schließlich für 4,1 Millionen Euro an eine Unternehmensgruppe um den Hannoveraner Anwalt Ingolf Böx verkauft wurde, war, wie berichtet, ein Verkehrswert von 3,9 Millionen Euro ermittelt worden. Doch dieses Gutachten war schon zum Zeitpunkt der Verkaufsausschreibung völlig überholt – und weitgehend wertlos.
Denn: Das Gutachten vom 28.04.2006 war unter völlig anderen Voraussetzungen und für eine andere Nutzungsart erstellt worden. Der Gutachter Lothar Neef war davon ausgegangen, dass etwa die Hälfte des gesamten Krampnitz-Areals nie zu Bauland wird und als Grünfläche liegen bleibt. Daher hatten sie diese Flächen auch nur mit einem Wert von etwa mehr als zwei Euro je Quadratmeter bewertet. Tatsächlich lagen zum damaligen Zeitpunkt die Baulandwerte – vor Abzug von Entsorgungs- und Altlastenkosten – bei bis zu 100 Euro je Quadratmeter.
Auf Grundlage dieses Gutachtens, das ausdrücklich nur für die Nutzung des Geländes als Fußballschule mit Internat nebst Fußballerlebniswelt für die „Soccer Culture Club GmbH“ (SCC) gefertigt worden war, war das Grundstück von der BBG und dem Land zum Verkauf angeboten worden. „Wenn der Verkäufer auf Grundlage eines solchen Gutachtens ausschreibt, dann ist klar, dass es keine sonderlich höheren Gebote von Investoren geben wird“, sagte ein mit dem Verfahren vertrauter Gutachter den PNN.
Doch tatsächlich ist das gesamte Grundstück in Krampnitz bebaubar. Schon weit vor dem Verkauf der Liegenschaft stand öffentlich fest, dass sich die Stadt Potsdam in ihren Bauplanungen für das Areal weitgehend nach den künftigen Investoren richten wird. Also: Wer Bauland will, bekommt es auch. Auch das war beim Bieterverfahren Anfang 2007 bekannt. Und so wurde das Gelände schließlich auch als komplettes Bauland verkauft – nur eben zum für eine Sportnutzung errechneten Preis. Tatsächlich war das Areal nach PNN-Informationen und nach Aussagen von beteiligten Experten zum Zeitpunkt des Verkaufs mindestens 15 Millionen Euro wert. Das ergibt sich aus einem zweiten, von der Käuferseite bestellten Gutachten. Das stammt vom 6. August 2007. Das Datum liegt zwischen der Unterzeichnung der Kaufverträge und der zum Vollzug nötigen Genehmigung dieser Verträge durch den Landtag. Und im Gutachten wird ein „Gesamtbodenwert“ von mehr als 27 Millionen Euro ermittelt. Angesichts der damaligen Marktlage wurde der Tax-Wert vom bestellten Gutachter auf 25 Millionen Euro gesenkt – im Durchschnitt kommt der Gutachter auf einen Quadratmeterpreis von etwa 22 Euro.
Die Landesregierung versuchte bisher, dieses Gutachten der Berliner Gutachter „Dr.-Ing. Keunecke & Dipl.-Ing. Stoehr GbR“ als Gefälligkeitspapier darzustellen. Begründung: In dem Gutachten seien die Bodenverseuchung und die Kosten für die Altlastenbeseitigung nicht berücksichtigt. Ergo sei das Gutachten unseriös.
Doch hatten die Gutachter, die sich gegenüber den PNN unter Verweis auf ihre Verschwiegenheitspflicht nicht äußern wollten, auch keinen anderen Auftrag von den Käufern. Mehr noch: Die Kosten für Altlastenbeseitigung hatte schon der vorherige Gutachter im Jahr 2006 festgestellt: Etwa 3,2 Millionen Euro. Zudem galt eine Klausel, dass Mehrkosten durch neu auftauchende Altlasten vom Land beglichen werden – in Höhe von 90 Prozent, und als Obergrenze der Kaufpreis, also die 4,1 Millionen Euro. Die Käufer wollten vom Expertenbüro nur wissen, was ihr Grundstück in ge- und bereinigtem Zustand wert ist; also dann, wenn sie die 3,2 Millionen Euro zur Bodensanierung ausgegeben haben und auch die alten Bauten abgetragen sind. Die Kosten für den Abriss alter Gebäude und die Entsorgung des Schuttes hatten Keunecke & Stoehr von den am Projekt beteiligten Bau- und Architektenbüros genannt bekommen (etwa 2,3 Millionen Euro; dabei hatte das Land beim Verkauf schon mehr als vier Millionen Euro für Abrisskosten erlassen) und abgezogen.
Vom durch die Gutachter ermittelten Wert in Höhe von 25 Millionen Euro müssten nur die Altlastensanierungskosten abgezogen werden, so ein mit dem Verfahren betrauter Experte gegenüber den PNN. Selbst wenn unterstellt werde, dass noch mehr Altlasten gefunden werden und man insgesamt zehn Millionen Euro dafür vom Wert des Baulandes abziehe, bleibe ein Wert von etwa 15 Millionen Euro, so der Experte.
Speer und Markov hatten bislang argumentiert, dass bei der Ausschreibung niemand mehr geboten habe als die Größenordnung um die 5 Millionen. Das stimmt, allerdings war bei der Ausschreibung der Richtwert – mit der Zahl des Alt-Gutachtens – bereits viel zu niedrig angesetzt. Die Hintergründe, warum Finanzministerium und BBG auf ein neues Gutachten verzichteten, sind merkwürdig.
Nach Angaben von einstigen Mitarbeitern der BBG war man sich in der gerade erst privatisierten BBG der Problematik offenbar völlig bewusst. Man habe die neue Geschäftsführung noch Ende 2006 darauf hingewiesen, dass das Gutachten eben ausschließlich für die Fußballnutzung mit großer Brachfläche und eben nicht für eine Komplett-Bebauung erstellt wurde. Trotzdem erfolgte kurz darauf die Ausschreibung auf Grundlage des Alt-Gutachtens.
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