Brandenburg: Der Schwarm
In der Uckermark sollen gemeinsam jagende Kormorane eine große Zahl junger Maränen in den Erstickungstod getrieben haben. Das Umweltministerium hält die These der aufgebrachten Fischer für blanken Unsinn
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Angermünde/Potsdam – Als Jerzy Przemus am vergangenen Sonntagnachmittag wie gewohnt zur Arbeit auf den Parsteiner See hinausfuhr, traute er zunächst seinen Augen nicht. Dicht an dicht trieben die toten Fischleiber an der Wasseroberfläche. Ausschließlich kleine Maränen hatte es offenbar ohne erkennbaren Grund auf einen Schlag dahingerafft. Ein Fischsterben der Größenordnung hat auch der gestandene Fischer aus der Uckermark in seinen mehr als 30 Berufsjahren noch nicht erlebt. „Das ist einfach ein trauriger Anblick. Ich hege und pflege die Maränen, fange immer nur so viel wie unbedingt nötig“, sagt Przemus. Warum der begehrte Speisefisch in dem Umfang verendete, stellte zunächst auch die Experten vom Landesfischereiverbvand vor ein Rätsel. Wasserproben wurden entnommen und analysiert, doch einer Lösung kam man nicht näher. Mittlerweile aber ist der Grund für das Fischsterben geklärt, zumindest nach Meinung des Landesfischereiverbandes: Schuld ist der Kormoran – und damit indirekt auch Brandenburgs Umweltministerium unter Führung von Anita Tack (Linke).
„Die jungen Maränen wurden von Kormoranschwärmen in die Enge getrieben. Dann sind die Fische in Panik in extrem sauerstoffarme Wasserschichten abgetaucht und dort erstickt“, ist sich der Geschäftsführer des Landesfischereiverbandes Brandenburg-Berlin, Lars Dettmann, sicher. Bei den Wasserproben habe sich gezeigt, dass die Werte insgesamt keinen Grund zur Beanstandung geliefert hätten, lediglich aufgrund der warmen Jahreszeit aber ab einer Tiefe von rund neun Metern so gut wie kein Sauerstoff vorhanden war. „Gleichzeitig wurde uns berichtet, dass sich in der Woche zuvor wieder Schwärme von durchziehenden Kormoranen am Parsteiner See niedergelassen haben, um dort zu jagen. Kein vernünftiger Fisch schwimmt von alleine in sauerstoffarme Zonen“, meint Dettmann.
Seit Jahren flammt in Brandenburg der Konflikt um den Kormoran immer wieder auf. Während der sogenannte Ruderfüßler bei Berufsfischern als dreister Fischdieb verschrien ist, der für Einbußen in Millionenhöhe verantwortlich ist, sehen Naturschützer in ihm einen schützenswerten Teil der heimischen Fauna, der pauschal als Sündenbock diskriminiert wird. Doch längst sind nicht mehr die brandenburgischen Kormorane – deren Bestand seit einigen Jahren sogar leicht rückläufig ist – der Grund für den Konflikt, sonderen die sogenannten Durchzügler, die aus Mecklenburg-Vorpommern und sogar aus dem fernen Balikum kommen, um sich an Brandenburgs Teichen, Flüssen und Seen die Bäuche vollzuschlagen.
Erst im vergangenen Jahr war es wie berichtet über das Thema auch zum Streit im rot-roten Kabinett gekommen. Angeblich einer Panne geschuldet, hatte das Umweltministerium dem Landesfischereiverband einen Entwurf für die sogenannte Kormoranverordnung zugeschickt, der den Fischern deutlich weniger Möglichkeiten für die Bekämpfung des eigentlich geschützten Vogels eingeräumt hätte als abgesprochen. Dabei ist der Schutzstatus des Kormorans den Fischern ohnehin schon lange ein Dorn im Auge.
Nachdem damals ein Sturm der Entrüstung losgebrochen war, hatte Tack den Fall schnell als Versehen erklären lassen. Landwirtschaftsminister Jörg Vogelsänger (SPD), der von Amts wegen auch die Interessen der Jäger und Fischer vertritt, warf Tack daraufhin öffentlich vor, durch der Fauxpax dem Ansehen der Landesregierung geschadet zu haben.
An ein Missgeschick will aber keiner so recht glauben. Vielmehr werfen Fischer, aber auch Landtagsabgeordnete wie der FDP-Landesvorsitzende Gregor Beyer dem Ministerium vor, den Schutz vermeintlich schützenswerter Arten vor den Schutz der Bevölkerung zu stellen – und dabei auch ohne Skrupel die eigene Ministerin zu düpieren. „Die Ministerin hat ihren Laden nicht im Griff. Leitende Mitarbeiter ihres Hauses lassen sie gegen die Wand laufen“, hatte auch der damalige CDU-Fraktionschef im Landtag, Dieter Dombrowski, gehöhnt. Beyers Fazit fällt ebenfalls vernichtend aus: „Für mich ist Frau Tack neben Bildungsministerin Münch einer der beiden Totalausfälle der Landesregierung.“ Beim Thema Kormoran verweise Tack stets auf die EU, verschweige aber, dass die Mitgliedsstaaten sehr wohl bei der Auslegung von Richtlinien große Spielräume hätten.
Der letztendlich erlassenen Kormoranverordnung zufolge dürfen die Fischjäger in Brandenburg ausschließlich an bewirtschafteten Teichanlagen und natürlichen Gewässern, an denen ein Fischereirecht besteht, geschossen werden. Dettmann zufolge ist der aktuelle Vorfall am Parsteiner See aber ein deutliches Beispiel für die Unzulänglichkeit der Tackschen Verordnung und der falschen Prioritätensetzung in ihrem Haus. Zwar sei der Fall in seiner Dimension bislang einzigartig, das Problem mit einfallenden Schwärmen hungriger Kormorane aber jedes Jahr das gleiche. Helfen könnten in einer solchen Situation „nur zwei Mann mit Schrotflinten, die ein oder zwei Vögel aus dem Schwarm rausschießen und die anderen dadurch vergrämen“, so Dettmann. Der See liege aber in einem EU-Vogelschutzgebiet und damit greife dort die Verordnung nicht. Das sei genau der Knackpunkt. „Wir schützen Arten, die diesen Schutz nicht mehr brauchen, und müssen dann mit erheblichem bürokratischen Aufwand Ausnahmen schaffen“, wettert Dettmann. Zwar könnte das Land eine „flächenschutzrechtliche Befreiung“ erteilen, „in diesem Ministerium, besonders im Artschutzreferat, wird man aber niemand dazu bewegen können. Es fehlt bei entscheidenden Stellen der Wille“.
Andreas Piela, Leiter des Artenschutzreferats im Umweltministerium, dagegen hält Dettmanns Erklärung für das Fischsterben für „hanebüchen und billig“ und den immer wiederkehrenden Vorwurf, seine Abteilung würde selbstherrlich agieren, für absurd. „Nicht das Ministerium diktiert einen gesetzlichen Schutz, sondern es gibt ihn einfach.“ Der Vorfall am Parsteiner See werde natürlich untersucht, aber Dettmanns These entbehre mit Sicherheit jeglicher Grundlage.
Fischer Przemus dagegen ist ganz Dettmanns Meinung – die Kormorane haben die kleinen Maränen auf dem Gewissen. Dabei habe er ja grundsätzlich kein Problem mit den Vögeln. „Mit den 30 bis 40, die hier das ganze Jahr über sind, kann man ja leben. Aber mit bis zu 1000 Kormoranen, die hier jedes Jahr nur zum Fressen herkommen?“ Das sehe er nicht ein.
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