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Einsamer Mahner. Ein Demonstrant stellte sich am Mittwoch in Potsdam in der Nähe der Staatskanzlei gegen den Trend zu einer SPD-Linke-Koalition in Brandenburg  und vor allem gegen die Regierungsbeteiligung ehemaliger Stasi-Zuträger.

© Michael Gottschalk/ddp

Von Thorsten Metzner: Der Trend geht in Richtung Rot-Rot

SPD-Landeschef Platzeck distanziert sich von CDU-Sparforderung

Stand:

Potsdam - Im Land Brandenburg verdichten sich die Anzeichen für ein rot-rotes Regierungsbündnis. Das erfuhren die PNN am Mittwoch am Rande der Sondierungsgespräche, die Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) mit den Linken und mit der Union fortsetzte, aus Verhandlungskreisen. Demnach beginnen sich auch die Parteibasis und die SPD-Landtagsfraktion eher darauf einzustellen, dass Platzeck ein Bündnis mit den Linken empfehlen wird. „Der Trend geht in diese Richtung“, hieß es übereinstimmend. Die Wahrscheinlichkeit für Rot-Rot wurde mit einer Spannbreite von 55 Prozent bis vereinzelt sogar 70 Prozent angegeben, wobei man Überraschungen wegen der Eigendynamik der Koalitionsbildung nicht ausschloss.

Aufmerksam registriert wurde, wie klar Platzeck auf Distanz zu einer Forderung der CDU-Fraktionschefin Saskia Funck ging, die Nettoneuverschuldung trotz der Verschärfung der Finanzlage – im Haushalt 2010 klafft eine Milliardenlücke – bis zum Jahr 2014 auf Null zu senken. Es sei „unseriös“, zum jetzigen Zeitpunkt einen konkreten Zeitpunkt zu benennen, ab dem Brandenburg ohne neue Schulden auskommt, betonte Platzeck. „Kein Experte kann gegenwärtig sagen, wie sich die nächsten Jahre entwickeln.“

Nachdem Funcks Aussagen bei der SPD als „verheerend“ wahrgenommen worden waren und auch in den eigenen Reihen für Unmut sorgten, bemühte sich CDU-Landeschefin und Forschungsministerin Johanna Wanka um Schadensbegrenzung. Wanka stellte sich zwar grundsätzlich hinter das von Funck propagierte Sparziel, relativierte es aber indirekt: „Das Gleiche steht im Wahlprogramm der SPD.“ Intern wurde der SPD signalisiert, dass die Forderung „nicht überinterpretiert“ werden sollte.

Wie berichtet, könnte Brandenburg im Jahr 2010 mit einem Minus von 944 Millionen Euro erstmals in der Landesgeschichte einen verfassungswidrigen Haushalt vorlegen. Die Frage, was sich das Land in den kommenden fünf Jahren leisten kann, steht daher im Mittelpunkt der Sondierungen. Beim 90-Minuten-Treffen mit den Linken ging es erstmals auch um die besonders strittige Energiepolitik. Die Linke tritt für einen Ausstieg aus der Braunkohle ab 2040 ein. Die SPD setzt dagegen voll auf die derzeit in der Entwicklung befindliche CCS-Technologie, mit der es langfristig Braunkohlekraftwerke geben soll – ohne Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids. Das soll stattdessen in unterirdischen Endlagerstätten gespeichert werden. „Wir sind ein Stück weitergekommen“, sagte Platzeck dazu. Und Kaiser erklärte: „Wir sind auf der Suche nach einem Konsens, und der scheint im Augenblick nicht ausgeschlossen.“ Und zwar in keiner Frage.

Der größte Unsicherheitsfaktor für Rot-Rot ist nicht offiziell Thema der Sondierungen: Die SPD-Spitze rechnet mit erheblichem innerparteilichen Ärger, den eine Entscheidung für Rot-Rot verursachen würde. Selbst Fraktionschef Günter Baaske hatte von einem „Riss“ gesprochen. Für viele Sozialdemokraten ist immer noch schwer vorstellbar, dass mit der jetzigen Fraktionschefin Kerstin Kaiser – dem neuen Machtzentrum der Linken im Land – eine frühere Stasi-IM am Kabinettstisch sitzen und Vize–Regierungschefin werden könnte. Platzeck hat Kaiser zwar lange bescheinigt, sich anders als Parteifreunde offen mit der Vita auseinandergesetzt und in der Demokratie bewährt zu haben.

Dennoch gibt es in und außerhalb der Partei massive Vorbehalte. So warnte der Historiker Hubertus Knabe, Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen, vor einem „massiven Tabubruch“ und einer „Retraumatisierung“ für manche Opfer. „Bei einer rot-roten Koalition in Brandenburg säßen erstmals überführte Stasi-Informanten am Kabinettstisch und würden sogar das Amt des stellvertretenden Ministerpräsidenten besetzen“, sagte er weiter. Die SPD müsse sich gut überlegen, ob sie diese politische Grenzüberschreitung verantworten könne.

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