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Brandenburg: Der Trick mit den Mini-Spielcasinos

Brandenburg und Berlin haben ihre Spielhallen-Gesetze erheblich verschärft. Doch werden die Auflagen überhaupt eingehalten?

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Potsdam/Berlin - Verlockender kann man es kaum formulieren. „Tauchen Sie ein in das einzigartige Gefühl von Glück und Spaß“, steht auf der Website des Casinos Royale am Potsdamer Hauptbahnhof. Ein paar Zeilen darunter setzen die Werber noch eins drauf, versprechen „aufregende Momente der Extraklasse“ in den Filialen der Royale-Spielhallenkette in der Landeshauptstadt und in Frankfurt (Oder). So nutzen sie ihre große Freiheit im Internet. Denn draußen in den Städten und Gemeinden zwingt sie Brandenburgs neues Spielhallengesetz seit April des Jahres zu einer nüchternen Selbstdarstellung. Zur Straße hin ist keinerlei „Anreiz schaffende“ Reklame erlaubt. Nur das Wort „Spielhalle“ darf im Fenster signalisieren, worum es geht.

So will man der Spielsucht vorbeugen. Doch werden Auflagen des Gesetzes wie diese tatsächlich eingehalten? Der SPD-Landtagsabgeordnete und Wirtschaftsexperte seiner Fraktion Sören Kosanke ist skeptisch. „Man muss sich nicht lange umschauen, um noch die fantasievollsten Leuchtreklamen zu entdecken“, sagt er – und bereitet nun eine parlamentarische Anfrage vor. Er will vom zuständigen Wirtschaftsministerium erfahren, inwieweit die Restriktionen respektiert und gegebenenfalls durchgesetzt werden.

Bis zu 20 000 Menschen sollen in Brandenburg spielsüchtig oder zumindest gefährdet sein. Und die Zahl der Spielhallen wird auf 270 geschätzt. In Potsdam, Cottbus und Frankfurt (Oder) soll es derzeit jeweils 15, in Brandenburg/Havel 12 Casinos geben. In Berlin geht man von bis zu 40 000 Spielsüchtigen und 570 Casinos aus. Überdies wurden in beiden Ländern wie auch bundesweit in den vergangenen Jahren immer mehr Spielhallen eröffnet. Von 2006 bis 2012 soll sich die Zahl der Spielautomaten in Deutschland vervierfacht und der Umsatz der Branche fast verdoppelt haben. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter berief sich 2012 auf diese Zahlen und verband sie mit einer Warnung vor Geldwäsche über die Münzspiele. Man hege den Verdacht, dass einige Casinobetreiber illegal gewonnenes Geld zurück in den normalen Zahlungsverkehr schleusen wollten. In Berlin wurden solche Fälle schon verfolgt, in Brandenburg aber offenbar noch kaum. „Es liegen derzeit keine entsprechenden Erkenntnisse vor“, teilte das Landespolizeipräsidium am Dienstag mit.

Im Kampf gegen die Spielsucht und kriminelle Begleiterscheinungen preschte Berlin vor und verabschiedete Mitte 2011 ein Spielhallengesetz, das deutschlandweit zu den strengsten gehört. Brandenburg orientierte sich knapp zwei Jahre später daran, sodass sich die Auflagen hier wie dort nur geringfügig unterscheiden. Um die Zahl der Casinos zu beschränken, verlangt das Gesetz einen Mindestabstand von 500 Metern zwischen zwei Spielhallen. Keine Halle darf mehr als zwölf Geräte haben. Das Personal muss zu Suchtgefahren geschult werden und suchtanfälligen Kunden im Rahmen eines Spielerschutzkonzeptes Hilfsangebote vermitteln. Außerdem gilt eine Sperrzeit zwischen 3 und 9 Uhr früh.

Doch welche Folgen hat all dieser Druck? In Brandenburg sei es noch zu früh für eine erste Bilanz, zumal in einigen Punkten noch Übergangsfristen gelten, heißt es unisono im Landtag und den kreisfreien Städten. In Berlin schrumpften die Umsätze der Spielhallen um 40 Prozent, und die Bezirke verzeichnen erheblich weniger Neueröffnungen. Vom Gesetz gestärkt, gehen sie restriktiver vor. So wurden 2012 von 127 Anträgen zur Neugründung einer Spielhalle nur acht genehmigt.

Der Verband der Automatenkaufleute läuft dagegen Sturm. Derzeit klagt er vor Verwaltungs- und Verfassungsgerichten gegen die Gesetze. Urteile, gegen die keine Revision mehr möglich ist, stehen noch aus. „8000 Arbeitsplätze sind in beiden Ländern gefährdet“, sagt Verbandschef Thomas Breitkopf. Aus seiner Sicht „verlagern die Gesetze das Problem nur in die Illegalität.“ Dabei weist er nach Berlin, wo sich tatsächlich immer mehr Automatenbetreiber mit einem Trick um die Auflagen mogeln. Sie gründen ein Bistro, in dem sie nur alkoholfreie Getränke verkaufen und kleine Speisen reichen. Denn für ein solches Lokal bekommt mal problemlos eine amtliche Genehmigung. Und man darf dort – frei von Gesetzesauflagen – wenigstens drei Spielautomaten betreiben. Eine Regelung, die auch für jede konzessionierte Gaststätte gilt.

SPD-Politiker Kosanke sieht die Gefahr der Mini-Spielhallen auch auf Brandenburg zukommen. Und sucht einen Weg, auch noch diese Gesetzeslücke zu verstopfen. Christoph Stollowsky

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