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Brandenburg: Der weiche Fall nach dem Sturz

Die Landesregierung hat für Ex-Minister Rainer Speer keine Verwendung mehr – und schickt in den gut dotierten Ruhestand. Die Opposition ist empört

Stand:

Potsdam - Kaum schien Ruhe einzukehren in die im Vorjahr skandalgeschüttelte brandenburgische Landespolitik. Doch nun sorgt der Preis für Aufsehen, mit dem sich die von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) geführte rot-rote Landesregierung dies erkauft hat. Es ist das Geld, das der wegen einer Unterhalts-Affäre zurückgetretene Innenminister Rainer Speer (SPD) bekommt, der Ende 2010 auch sein Landtagsmandat abgegeben hatte. Die Opposition tobt.

Fest steht: Speer fällt weich – denn er hatte ein Rückkehrrecht in den Landesdienst. Dazu musste Speer nach seinem Rücktritt als Minister am 23. September 2010 binnen einer Frist von einem Monat nur einen Antrag auf „Übertragung seines früheren Amtes“ stellen, „in diesem Fall das des Chefs der Staatskanzlei oder eines entsprechenden Amtes“, teilte die Staatskanzlei mit. Diese prüfte den Antrag und stellte fest: „Die Funktion des Chefs der Staatskanzlei war und ist besetzt.“ Weil binnen drei Monaten kein adäquater Posten gefunden wurde, musste Speer auf Grundlage des Landes-Ministergesetzes in den Ruhestand versetzt werden.

Die Höhe von Speers Bezügen hält die Staatskanzlei unter Verweis auf dessen Persönlichkeitsrechte unter Verschluss. Immerhin legte der Steuerzahlerbund eigene Berechnungen vor, bezog sich dabei aber nur auf Ruhestandsgehälter für Speers Zeit als Staatssekretär.

Nach einer Umfrage der PNN bei renommierten Beamten- und Verwaltungsrechtlern unter anderem aus Potsdam müsste Speer jedenfalls gar nicht mehr arbeiten gehen. Demnach erhält er für sechs Monate nach seinem Rücktritt als Minister die kompletten Ministerbezüge in Höhe von knapp 11 000 Euro pro Monat als Übergangsgeld. Für weitere eineinhalb Jahre steht ihm den Gesetzesvorgaben zufolge die Hälfte des Ministergehalts zu. Weil Speer im Jahr 2000 als Chef der Staatskanzlei in den Status eines politischen Beamten gesetzt wurde, veranlasst übrigens vom damaligen CDU-Innenminister Jörg Schönbohm, kommt noch Ruhestandsgehalt hinzu. Das sind mindestens 35 Prozent der Staatssekretärsbezüge von rund 10 000 Euro, also 3500 Euro. Insgesamt macht das für diese eineinhalb Jahre 9000 Euro pro Monat aus. Wenn die Übergangsfrist für den Ex-Minister Ende September 2012 abläuft, ist Speer 53 Jahre alt. Bis er 60 Jahre alt wird, bekommt er das Ruhegehalt von 3500 Euro für seine Zeit als Staatssekretär.

Danach steigen die Bezüge des SPD-Politikers wieder, allerdings gibt es dafür komplizierte Berechnungsverfahren. Etwa 48 Prozent seiner Ministerbezüge stehen ihm als Ruhegehalt zu – also fast 5300 Euro. Hinzu kommen das Ruhegehalt als Ex-Staatssekretär, das anteilig angerechnet wird. Nach Berechnungen verschiedener Beamtenrechtler käme Speer dann als Pensionär auf 7000 Euro pro Monat. Speer ist also gut versorgt – nach Recht und Gesetz. Nur lässt sich das nach den Skandalen und Affären um Speer politisch schwer vermitteln.

Die Opposition im Landtag reagiert daher überhaus empört. FDP-Fraktionschef Andreas Büttner sagte: „Das ist der nächste Skandal von Rot-Rot. Es ist eine Unverschämtheit sondergleichen, dass Speer mit dem goldenen Handschlag verabschiedet wird. Jeder, der so viel Geld bekommt, soll gefälligst auch dafür arbeiten.“ Die Landesregierung hätte diese Möglichkeit gehabt und schenke ihm stattdessen 14 Jahre bezahlten Urlaub. „Mit seinen Skandalen hat Speer dem Land ohnehin hohen Schaden zugefügt. Und jetzt wird er mit einer Frühpension belohnt, die höher ist als seine Landtagsdiät.“ Von einem falschen Signal an die Bürger sprach Grüne-Fraktionschef Axel Vogel. „Herr Speer ist arbeitsfähig. Eine angemessene Beschäftigung hätte bei der Personalnot im öffentlichen Dienst bestimmt finden lassen. Eine Frühpensionierung zum Luxustarif geht in diesem Fall gar nicht.“ Daher müssten die Gesetze dringend geändert werden.

CDU-Fraktionschefin Saskia Ludwig sprach vom Verdacht, dass es einen Kuhhandel zwischen Platzeck und Speer gegeben haben könnte. „Hat sich der Skandalminister etwa erst aus der Politik zurückgezogen, nachdem ihm sein Freund Platzeck eine großzügige Versorgung zugesichert hatte? Ist die hohe Frühpension vielleicht eine Art Schweigegeld?“ Ludwig spielt auch darauf an, dass Speer und Platzeck zwei Jahrzehntelang unzertrennlich waren und keine Geheimnisse voreinander hatten. „Kaum vorstellbar, dass der Regierungschef nichts über Speers Beziehung zu seiner Büroleiterin wusste – und auch nichts über deren Verbeamtung. Das ist wirklich ein Hammer!“

Wegen der Verbeamtung von Speers Ex-Geliebter, mit der er ein uneheliches Kind hat, ermittelt auch die Staatsanwaltschaft, die Staatskanzlei prüft die Einleitung eines Disziplinarverfahrens. Der Vergang ist nicht mehr genau nachvollziehbar. Nach einem Bericht von Rechungshofpräsident Thomas Apelt besteht der Verdacht auf Aktenfledderei. Und die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt wegen des Verdachts auf Falschaussage an Eides statt vor der Pressekammer des Landgerichts Berlin, vor der Speer Berichte über seine Unterhaltsaffäre verhindern wollte. Dabei ging es um Speers angebliche Unkenntnis seiner unehelichen Vaterschaft, statt von ihm bezog die Mutter Unterhaltsvorschuss vom Staat. Nur bei einem Hafturteil von mehr als einem Jahr könnte Speer nach dem Beamtenrecht seinen Status als Ruhestandsbeamter verlieren – das Ruhegeld wäre pfutsch. Alexander Fröhlich

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