Brandenburg: „Der Westen sollte Druck auf den Osten erhöhen“
Interview mit CDU-Fraktionschef Thomas Lunacek über den falschen Umgang Brandenburgs mit Millionen aus dem Solidarpakt
Stand:
Ist es akzeptabel, dass Brandenburg Solidarpakt-Gelder in dreistelliger Millionenhöhe nicht wie vorgesehen für Infrastruktur-Investitionen ausgibt?
Das darf so nicht weitergehen. 41 Prozent der Mittel, dass sind 622 Millionen Euro pro Jahr, werden nicht im Sinne des Solidarpaktes verwendet. Wir schaden uns selbst, wenn zu wenig investiert wird. Selbst das rot-rot regierte Mecklenburg-Vorpommern investiert in absoluten Zahlen mehr als Brandenburg. ..was deutlich macht, dass wir schnell umsteuern und Defizite beseitigen müssen.
Hat das Debakel auch damit zu tun, dass sich das Land an die Millionen-Geschenke aus dem Westen gewöhnt hat?
Ganz sicher. Fest steht, dass wir dringend eine Wende in der Finanzpolitik brauchen. Leider verschließt die Politik vor diesem Problem bislang konsequent die Augen. Das bereitet mir Sorge.
Die Union regiert in Brandenburg seit 1999 mit. Woran liegt es, dass Ihre Mahnungen seit Jahren ungehört verhallen?
Man denkt zu sehr in Wahlperioden. Deshalb fehlen Kraft und Mut zum konsequenten Umsteuern. Schmerzhafte Einschnitte, die um der Zukunft Brandenburgs willen nötig wären, werden nicht gewagt. Die CDU will deutlich weiter gehen. Die Sozialdemokraten waren dazu bisher leider nicht bereit.
Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hält dagegen, dass das Land schneller vorankommt, wenn in Wissenschaft und Bildung statt in Beton investiert wird.
Das ist ein Scheinargument: Brandenburg nimmt leider auch bei Aufwendungen in Bildung und Wissenschaft einen der letzten Plätze in Deutschland ein. Das Geld wird also anderswo für den Konsum ausgegeben. Das Entscheidende müssen Investitionen für mehr Wachstum sein. Das ist der eigentliche Indikator für eine vernünftige Politik. Die Realität sieht so aus, dass es seit einigen Jahren in Brandenburg, wie den meisten neuen Ländern, faktisch kaum Wirtschaftswachstum gibt. Der Aufbau Ost ist zum Stillstand gekommen: Die Anzahl der Arbeitsplätze nimmt ab, die Lohnangleichung steht still, der Abstand zu den alten Ländern wird wieder größer.
Manche bezweifeln, dass es überhaupt noch einen Nachholbedarf in der Infrastruktur gibt.
In einigen Bereichen gibt es eine Angleichung, teilweise ist der Osten sogar besser, etwa im Gesundheitswesen oder der Telekommunikation. In anderen Bereichen hinken die neuen Länder stark hinter her. Man muss sich nur die Bausubstanz in Städten und Dörfern oder die Straßenverhältnisse jenseits der Autobahnen ansehen.
Was wäre jetzt nötig?
Wir brauchen einen Mentalitätswechsel in Brandenburg. Das Land muss attraktiver für Unternehmen werden: Hier wurde um den Flughafen jahrelang gestritten, in Leipzig wurde er ausgebaut. BMW hat sein Werk nicht in Erkner, sondern in Sachsen gebaut. Es gibt zu viele Neiddebatten, zu viel Bürokratie. Vor allem aber muss die Vergabepraxis zu wachstumsorientierten Investitionen hin verschoben werden. Die Kernfrage muss sein: Können wir die Wirtschaft ankurbeln oder nicht? Das heißt, die Investitionsquote muss 2008 aufgestockt werden? Wir sollten das versuchen, zumindest müssen wir alles tun, um das jetzige Niveau zu halten, auch wenn die Mittel aus dem Solidarpakt und aus Europa in den nächsten Jahren abnehmen. Brandenburg muss spätestens ab 2019, wenn der Solidarpakt ausläuft, mit dem selbst erwirtschafteten Geld auskommen. Was wir bis dahin nicht an Infrastruktur haben, werden wir nicht mehr bekommen.
Wo lebt das Land über seine Verhältnisse?
Beim Personal, und zwar ganz deutlich. Die Ausgaben im öffentlichen Dienst je Einwohner sind höher als in vergleichbaren West-Ländern, obwohl die Bediensteten hierzulande weniger verdienen. Wir geben auch in vielen anderen Bereichen zu viel aus. Wo genau angesetzt werden muss, werden wir im Herbst wissen, wenn das Finanzministerium den Ländervergleich zu den Ausgaben des Landes vorlegt.
Ist eine Ausweitung des Rechtsanspruches auf Kita-Betreuung, auf die sich die Koalitionsfraktionen gerade verständigt haben, da nicht das völlig falsche Signal?
Bei der frühkindlichen Entwicklung von Kindern haben wir zunehmende Probleme. Deshalb ist es wichtig, dass die Kinder früh gefördert werden. Es geht nicht um mehr Geld, sondern darum, dass wir mit dem Geld mehr erreichen. Wir geben für einen Kita-Platz in Frankfurt/Oder mehr als 5000 Euro pro Jahr aus, in der Prignitz aber gerade einmal die Hälfte.
Im Westen mehren sich Stimmen, die Solidarpakt-Hilfe für den Osten wegen der Fehlverwendungen zu kürzen. Haben Sie dafür Verständnis?
Mich überrascht, dass sich die Geberländer die falsche Verwendung der Solidargelder für Konsum so lange bieten lassen. Ich kann den alten Ländern nur empfehlen, den Druck auf Ostdeutschland zu erhöhen. Eine Kürzung der Solidarpakt-Mittel wäre keine Lösung, weil die neuen Länder dann dauerhaft vom Westen abgehängt würden.
Ist es im Westen zu vermitteln, wenn aus dem Solidarpakt-Topf in Potsdam ein Spaßbad zu 80 Prozent gefördert wird?
Ein Spaßbad als Luxusvariante für mehr als 30 Millionen Euro ist nicht zeitgemäß. Es sollte auf ein verträgliches Maß beschränkt werden. Potsdam braucht ein vernünftiges Bad, aber kein Symbol für Luxus. Ganz zu schweigen von den verheerenden Folgekosten für die Potsdamer, wo die Wasser und Abwasserpreise schon jetzt zu den höchsten in Deutschland gehören.
Sie mahnen ein grundlegendes Umsteuern in der Finanz- und Ausgabenpolitik an. Das ist in erster Linie eine Führungsaufgabe des Ministerpräsidenten?
Ja, es ist eine Führungsaufgabe des Ministerpräsidenten. Er hat die Richtlinienkompetenz. Aber auch die Union ist gefordert, einen Beitrag für die nötige Kehrtwende in Brandenburg zu leisten.
Das Interview führten Michael Mara und Thorsten Metzner
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