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Gastbeitrag über Wölfe in Brandenburg: Der Wolf ist nicht schuld!

26 Kälber wurden 2016 vom Wolf gerissen – aber rund 4500 pro Jahr tot geboren. Ein Gastbeitrag von Axel Kruschat vom BUND Brandenburg.

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Die Debatte über den Wolf zeigt, dass in Brandenburg die politische Kultur, sich über Sachfragen und verschiedene Sichtweisen auseinanderzusetzen, immer weiter verloren geht. Dies leider nicht durch AfD und Pegida, sondern durch Menschen, die sich dies als Verantwortungsträger eigentlich nicht leisten können. Jüngstes Beispiel ist der Landrat von Märkisch-Oderland, Gernot Schmidt, der den „Naturschutz“ rundweg und undifferenziert als „Öko-Pegida“ bezeichnet hat. Auch Agrar- und Umweltminister Jörg Vogelsänger steht dem leider kaum nach. Zwar ist die Tonlage eine andere, aber wer in seiner Pressemitteilung verlautbart, „dass noch nicht bei allen angekommen ist, dass sich die Situation immer weiter zuspitzt und die Kosten für Prävention und Entschädigung aus dem Ruder zu laufen drohen“, zeichnet ein Bild, das nicht der Wahrheit entspricht und Hysterie schürt. Da wundert es nicht, wenn sich Verbandsvertreter – wie Marco Hintze als Präsident des Bauernbunds – aus der Deckung trauen und im Wesentlichen aus Beleidigungen und unhaltbaren Behauptungen bestehende Artikel verfassen.

Diese aktuellen Entgleisungen stehen als Symbol für die gesamte Haltung der SPD in der Landesregierung zum Naturschutz. Es bringt die Ratlosigkeit auf den Punkt, die bei Ministerpräsident Dietmar Woidke und Minister Vogelsänger in Bezug auf die Gestaltung der ländlichen Entwicklung in Brandenburg herrscht. In dieser Situation bleibt nur noch der Naturschutz, speziell der Artenschutz, als Sündenbock übrig. Verfehlte Entwicklungen in der Tierhaltung werden dann dem Wolf angelastet.

Dabei ist klar, dass die prekäre Situation der Weidetierhalter nicht durch den Wolf entstanden ist und sich auch nicht bessern würde, wenn der Wolf wieder aus Brandenburg verschwindet. Mit dem gemeinsamen Feind wird aber davon abgelenkt, dass Verbände wie der Bauernverband mit seiner „Wachse oder weiche“-Doktrin Mitverantwortung für die schlechte Ertragslage der Weidetierhalter tragen.

Die jahrelange völlig unkritische Haltung gegenüber den Massentierhaltungsanlagen mit mehr als 20 000 Tieren hat die Situation nicht verbessert. Sicherlich geht es in der Auseinandersetzung um den Wolf primär um die Mutterkuhhaltung und die Großanlagen entstehen bei Geflügel und Schweinen. Aber ein generell zu niedriger Ertrag beim Fleisch wirkt sich eben auf alle Formen der Tierhaltung aus. Wenn die 26 Kälber, die 2016 von Wölfen gerissen wurden, die Mutterkuhhaltung in Brandenburg in Gefahr bringen können, dann stimmt mit der gesamten Branche etwas nicht. Wenn Minister Vogelsänger bei jährlichen Kosten von 45 000 Euro für Entschädigungen und zirka 211 000 Euro für Präventionsmaßnahmen von „aus dem Ruder laufenden Kosten“ spricht, wirkt dies angesichts der Summen, die in die Agrarförderung fließen, sehr seltsam. Auch wenn diese Summen steigen sollten, werden damit selbst für diese Landesregierung keine unlösbaren Haushaltsprobleme entstehen.

Mit Hysterie kann man sehr gut von hausgemachten Problemen ablenken. So zum Beispiel, dass der Wolfsmanagementplan zwar 2012 ganz Brandenburg zum Wolfserwartungsland erklärt hat, aber erst jetzt das Wolfsinformations- und das Herdenschutzzentrum errichtet werden. Erst jetzt werden Wolfsmanager eingestellt. Erst jetzt werden die Maßnahmen, auf die man sich im Konsens mit den Tierhaltern geeinigt hatte, umgesetzt.

Diese lösen aber das grundsätzliche Problem nicht. In den vergangenen 10 Jahren sind fast 70 000 Schafe weniger auf der Weide in Brandenburg, 2016 ist die Zahl der Milchkühe um etwa 19 000 gesunken. Seit mehr als zehn Jahren ist die Biodiversität in Brandenburg im Schwinden. Vergleicht man die Zahl der Totgeburten bei Kälbern von etwa fünf Prozent bei 90 000 Kälbern pro Jahr, also 4500 Kälber, sieht man, dass die Aufregung um den Wolf in keinem Verhältnis zu den Problemen durch den Wolf steht.

Wir brauchen mehr Tiere auf mehr Weiden, auch, um den negativen Trend bei der Artenvielfalt zu stoppen und umzudrehen. Statt der Massentierhaltung brauchen wir eine Weidetierinitiative, die die wirtschaftliche Situation der Halter spürbar verbessert. Dafür gibt es in Brandenburg auch sehr gute Beispiele. Betriebe, die wenig oder gar keine Probleme mit dem Wolf haben. Wäre es nicht sinnvoller, wenn ein Agrarminister mal einen solchen Betrieb besucht, anstatt beim Feueranheizen dabei zu sein?

Axel Kruschat, 47 Jahre, ist seit 2003 Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) Brandenburg. Er ist auch Co-Sprecher des Aktionsbündnis Agrarwende Berlin Brandenburg.

Axel Kruschat

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