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Ausverkauf. Beim Wettlauf um Agrarflächen in Brandenburg haben heimische Bauern wegen der hohen Preise oft das Nachsehen. Das will Brandenburgs Landesregierung jetzt mit einem Fünf-Punkte-Plan ändern. Eine erste Gelegenheit dazu hat sie allerdings nicht genutzt, kritisiert der Bauernbund Brandenburg.

© Claudia Bihler

Brandenburg: Deutsch-chinesisches Monopoly

Der Agrarinvestor Siegfried Hofreiter erhält frisches Kapital aus Fernost. Landwirte sind alarmiert

Von Matthias Matern

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Potsdam/Hamburg - Der Wettlauf um Agrarflächen in Brandenburg könnte sich nochmal deutlich verschärfen. Einer der größten Agrarinvestoren im Land, die Hamburger KTG Agrar Holding, kann künftig beim Kauf neuer landwirtschaftlicher Flächen auf frisches Kapital aus Fernost zurückgreifen. Die chinesische Fosun International Limited will sich über ihre portugiesische Tochter, die Versicherung Companhia des Deguros SA, zu gut neun Prozent in die Holding des aus Regensburg stammenden Siegfried Hofreiter einkaufen. Für Karsten Jennerjahn, Präsident des Bauernbundes Brandenburg, ist der Einstieg der Chinesen ein Alarmsignal: „Es ist nicht auszuschließen, dass die KTG mit frischem Kapital ausgestattet ihre Einkaufstour fortsetzt.“

Wie berichtet beklagen Bauern in Brandenburg bereits seit Jahren, dass sie beim Ankauf von Agrarflächen zunehmend das Nachsehen haben, weil die Hektarpreise enorm angezogen haben und sie mit der Finanzkraft auswärtiger Geldgeber nicht mehr mithalten können. Vor allem Junglandwirte sind oft chancenlos. Allein bei der bundeseigenen Bodenverwertungs- und verwaltungs GmbH (BVVG), die für die Privatisierung ehemaliger Flächen der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) der DDR zuständig ist, ist der Hektarpreis in Brandenburg 2014 von 12 038 Euro auf 13 730 Euro gestiegen. „Auch für das laufende Jahr gehen wir von steigenden Preisen aus“, hatte BVVG-Geschäftsführer Wolfgang Suhr Anfang des Jahres auf der Jahrespressekonferenz der BVVG gesagt.

Getrieben wird der Landhunger unter anderem durch die zunehmende Bedeutung nachwachsender Rohstoffe für die Energiegewinnung. Zudem schießen aufgrund des steigenden Bedarfs an Lebensmitteln durch die wachsende Weltbevölkerung die Preise in astronomische Höhen. Weltweit sichern sich derzeit deshalb Großinvestoren und internationale Agrarfonds wertvolles Grün- und Ackerland. In Deutschland zählt Hofreiter dabei zu den ganz Großen. Rund 45 000 Hektar Fläche werden hochtechnisiert und satellitengestützt in Ostdeutschland bewirtschaftet, vor allem in Brandenburg. Hinzu kommen weitere Flächen im Baltikum und Osteuropa, sowie Beteiligungen unter anderem an einem russischen Schweinemastbetrieb nahe der ukrainischen Grenze. Über 1000 Mitarbeiter beschäftigt die KTG inzwischen.

Nach eigenen Angaben gehören der KTG nur 2500 Hektar in der Mark. Vor drei Jahren seien es 2000 Hektar gewesen. Hinzu kommen allerdings noch zahlreiche Flächen, die der Konzern langfristig von hiesigen Grundstückseigentümern gepachtet hat. Alles in allem, so schätzt der Bauernbund, bewirtschaftet die KTG in Brandenburg damit rund 19 000 Hektar. Das Geschäftsmodell der Hamburger basiert dabei auf drei Säulen: Stromerzeugung aus Biogas, landwirtschaftliche Produktion, rund zur Hälfte konventionell und ökologisch, sowie die Produktion von Lebensmitteln fürs Bio-Regal, als Frischwaren bis hin zur Tiefkühlkost.

Bei der jüngsten Hauptversammlung in Hamburg stellte die KTG ihren Jahresabschluss vor: Bei knapp 300 Millionen Euro Umsatz hat die KTG in diesem Jahr einen Ertrag von gut 6,4 Millionen Euro erzielt, nach mehr als 600 000 Euro Verlust im vergangenen Jahr. Gut sechs Millionen Euro sind dazu als Betriebs- und Flächenprämien aus Brüssel geflossen.

Nun zeige sich, dass es von der Bundesregierung und den deutschen Agrarministerien ein Fehler war, die in den Verhandlungen zur jüngsten EU-Agrarreform von der EU-Kommission vorgeschlagene Obergrenze für Betriebsprämien abzulehnen, sagt Bauernbund-Präsident Jennerjahn. „Jetzt kaufen chinesische Versicherer uns brandenburgischen Bauern mit unseren Steuergeldern die Flächen weg.“ Das sieht auch Axel Vogel, Grünen-Fraktionsvorsitzender im brandenburgischen Landtag, so: „Der jetzt erfolgte Einstieg einer chinesischen Investorengruppe in die allein in Brandenburg rund 19 000 Hektar bewirtschaftende KTG Agrar SE ist unmittelbare Folge des Kampfes des brandenburgischen Agrarministeriums gegen Kappungsgrenzen und Degressionsmechanismen in der Agrarförderpolitik.“

Hofreiter selbst dagegen ist bemüht, entsprechende Ängste zu zerstreuen: „Bereits seit 2007 haben wir uns dazu verpflichtet, keine Flächen zu kaufen, die von anderen Landwirten bewirtschaftet werden. Daher gehörte KTG schon in der Vergangenheit nicht zu den Preistreibern und dies wird sich in der Zukunft nicht ändern.“ Das Interesse der Chinesen biete deutschen Landwirten vielmehr die Chance, sich neue Absatzmärkte zu erschließen. Auf der jüngsten Hauptversammlung klang das allerdings noch anders. „Das ist eines unserer Kerngeschäfte: Kleine Flächen kaufen, arrondieren und mit Gewinn verkaufen“, hatte Hofreiter dort den Aktionären erläutert.

Mittlerweile aber scheint auch Brandenburgs Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) kalte Füße zu bekommen. Am Mittwoch stellte er ein Fünf-Punkte-Programm vor, mit dem in Brandenburg unter anderem künftig ortsansässige Bauern beim Flächenerwerb bevorzugt werden sollen. „Wir haben das Interesse, dass Landwirte in Brandenburg Boden zu wirtschaftlich vertretbaren Preisen erwerben können“, so Vogelsänger.

Was die Landesregierung aber unter ortsansässigen Bauern versteht, ist unklar. Denn oft kaufen Investoren gar nicht direkt Land, sondern marode Agrargesellschaften. Die Gewinne der Betriebe aber fließen aus dem Land. Dennoch findet Bauernbund-Geschäftsführer Reinhard Jung die Absicht Vogelsängers positiv. „Wir finden es gut, dass der Minister diesen Arbeitsplan vorgelegt hat und die Agrarverbände einbezieht. Es sind einige gute Gedanken darin. Bei dem uns wichtigen Punkt des Vorkaufrechts für ortsansässige Landwirte sind die Aussagen allerdings noch sehr vage“, kritisiert Jung.

Vogel dagegen findet klarere Worte: „Die vorgeschlagenen Punkte sind für sich genommen erste Schritte in die richtige Richtung. Sie gehen aber nicht weit genug, um dauerhaft wirksame Verbesserungen zu erreichen.“

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