zum Hauptinhalt

Brandenburg: „Die Angst bekommt man nicht mehr weg“

Brigitte Bienek traf die Diagnose wie ein Donnerschlag: Beidseitiger Brustkrebs

Von Matthias Matern

Stand:

Potsdam - Den Spaß am Leben hat Brigitte Bienek wiedergefunden, doch ein Schatten ist geblieben. „Die Angst bekommt man nicht mehr weg. Bei fast jedem Zipperlein fragt man sich sofort: Ist er zurückgekommen?“, erzählt die 69-jährige Potsdamerin. Bienek sitzt auf ihrer Terrasse und blickt in den Sonnen beschienenen Garten. Ihr zu Füßen wuselt Elli herum. Die dreijährige Havaneser-Hündin ist ihr Mutmacher, ihre „Herztablette“, wie Bienek sagt. Fast auf den Tag genau fünf Jahre ist es her, als ihre dunkle Vorahnung noch übertroffen wurde und ihre Welt aus den Fugen geriet: Die Diagnose Brustkrebs auf beiden Seiten war wie ein Donnerschlag. „Als der Chefarzt sagte, rechts ist ja auch noch etwas, wurde mir schwarz vor Augen.“

Dass es wohl „etwas Böses“ ist, sei ihr allerdings schon viel früher klar gewesen, berichtet Brigitte Bienek. Zwei Tage bevor sie mit ihrem Mann damals in den Urlaub fahren wollte, fühlte sie zufällig eine harte Stelle in ihrer linken Brust. „Ich dachte, oh je, nur das nicht.“ Trotz der intuitiven Gewissheit entschied sich Bienek, in den Urlaub ins Allgäu zu fahren, anstatt umgehend ihren Frauenarzt aufzusuchen. Ein Fehler, wie Bienek heute weiß, weil es sich bei ihrem Geschwür um eine besonders aggressive und schnell wachsende Krebsart handelte. Erst im April zuvor sei sie bei der Routineuntersuchung gewesen, sagt sie. Entspannend war der Urlaub allerdings nicht. „Bei jeder Gelegenheit waren meine Gedanken bei dem Knoten in meiner Brust.“ Als Bienek wieder in Potsdam war, ging alles sehr schnell: Untersuchungen, Einweisung in das Evangelische Krankenhaus Ludwigsfelde-Teltow, Operation – alles innerhalb von drei Tagen.

Gleich zweimal suchte der Krebs die Familie Bieneks damals heim. Ihr Schwiegersohn war zu diesem Zeitpunkt bereits ebenfalls unheilbar an Krebs erkrankt. Als der Arzt ihr im Krankenhaus das Ergebnis der Untersuchung mitteilte, seien ihrer Tochter die Tränen über das Gesicht gelaufen, erinnert sich die zweifache Mutter. „In diesem Moment erwachte bei mir der Kampfgeist. Ich dachte, das geht nicht. Du kannst die Familie nicht alleine lassen.“ Kurzerhand entschließt sich Bienek an einer US-amerikanischen Studie teilzunehmen. Dabei ging es um die Erforschung neuartiger Medikamente.

Doch vor allem während der folgenden Chemotherapie wurde Bieneks Lebenswille noch öfter auf die Probe gestellt. Als seelisch schmerzhaft habe sie besonders das Ausfallen der Haare empfunden. „Ich konnte die Haarbüschel in meinen Händen nicht ertragen. Es war einfach nur zum Heulen“, beschreibt sie die schwere Zeit der Behandlung.

Kraft tankte Bienek in ihrer Familie und bei ihren Freunden. Besonders die Unterstützung der anderen „Señoritas“ habe ihr geholfen. Einmal seien ihrer Freundinnen aus der gemeinsamen Musikgruppe zu Besuch im Krankenhaus gewesen und hätten ihr ein Hufeisen geschenkt.

Eine Geste, die offenbar keine Selbstverständlichkeit ist. Nicht immer wissen „gute Freunde“ und selbst Ehepartner mit dem Thema Krebs umzugehen, weiß Bienek aus Berichten anderer Betroffener. Seit dem vergangenen Jahr leitet sie die Gruppe „Frauenselbsthilfe nach Krebs“ in Potsdam. „Sogar Ehen sind schon kaputtgegangen, weil der Frau die Brust abgenommen werden musste. Der Mann hat gesagt, er will einfach noch was vom Leben haben“, berichtet Brigitte Bienek, während sich Elli von ihr kraulen lässt.

Im September steht Bieneks große Abschlussuntersuchung der Nachsorgezeit an. Trotz der vielen halbjährigen Kontrollen seit der Behandlung kann sie die Unruhe nicht abschütteln. „Man schläft schlecht, hat Angst vor dem Ergebnis.“ Doch eines habe sie gelernt: „Die Hoffnung, diese Krankheit zu besiegen, darf man einfach nicht verlieren.“M. Matern

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })