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Brandenburg: Die dunkle Seite des Berliner Zoos Ausstellung widmet sich auch der NS-Geschichte

Berlin - Eisbär Knut und andere tierische Bewohner haben den Berliner Zoo weltweit bekannt gemacht. Doch die Geschichte von Deutschlands ältestem und artenreichstem Zoo war nicht immer rühmlich.

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Berlin - Eisbär Knut und andere tierische Bewohner haben den Berliner Zoo weltweit bekannt gemacht. Doch die Geschichte von Deutschlands ältestem und artenreichstem Zoo war nicht immer rühmlich. Der Historiker Clemens Maier-Wolthausen hat jetzt hinter die Fassade geschaut und mitunter schwierige Jahre aufgearbeitet – mit schonungsloser Offenheit, wie er sagt. Die Ergebnisse sind jetzt in einer Dauerausstellung zur 172-jährigen Geschichte der Anlage im Antilopenhaus zu sehen. Es ist laut Direktor Andreas Knieriem das schönste und älteste rekonstruierte Gebäude des Originalzoos und ein würdiger Platz für diese wichtige Ausstellung.

Die Arbeit habe ihm gezeigt, wie sehr der Zoo mit der Geschichte der Stadt verwoben sei, auch in der NS-Zeit, sagte Maier-Wolthausen. „Der Zoo hat sich bedingungslos an das neue Regime angepasst“, so der Kurator. „Der Aufsichtsrat ist sehr schnell nazifiziert worden. Jüdische Mitglieder sind durch NS-treue Mitglieder ersetzt worden.“ Man habe auch überlegt, jüdischen Kindern den Besuch des Spielplatzes zu verbieten oder Juden generell vom Zoobesuch auszuschließen. Weil sie aber später berlinweit keine Vergnügungsstätten mehr aufsuchen durften, habe sich diese Diskussion erledigt.

„Auch schon vor dem Nationalsozialismus gab es im Berliner Zoo rassistische Traditionslinien“, berichtet der Historiker. Diese hätten auch nachgewirkt. So habe es von 1871 bis 1952 insgesamt 25 Völkerschauen gegeben, bei denen Bewohner verschiedener Kontinente unter fragwürdigsten Bedingungen „ausgestellt“ worden seien. „Da wurden Menschen aus Grönland und Alaska dazu verdonnert, Robben oder Rentiere einzufangen oder mit dem Kanu auf den Teichen des Zoos umzukippen“, berichtet der Forscher. „Afrikaner mussten Kriegsszenen und Menschen aus Samoa eine Dorfidylle nachstellen.“ Zahlreiche Dokumente und Fotos beleuchten nun die wechselvolle Geschichte. Ganz besonders beeindruckt hätten ihn Aufnahmen polnischer Zwangsarbeiterinnen, die sich im Zoo ein paar freie Stunden gönnen durften und das Foto des letzten überlebenden Elefanten am Ende des Zweiten Weltkrieges, der bewacht von einem Soldaten seine Runden dreht, so Maier-Wolthausen.

Der Blick aus einer kultur- und wissenschaftsgeschichtlichen Perspektive ist laut einer Zoo-Sprecherin neu. Normalerweise sei Zoogeschichte meist anhand der Wirkperioden der Direktoren geschrieben worden. Die Ausstellung beleuchtet Sonderthemen wie den „Alltag mit Tieren“ oder „Woher kommen die Tiere?“. Afrika sei heute kein „Selbstbedienungsladen“ mehr, sagt Maier-Wolthausen.

Artenschutzprogramme sorgten dafür, dass Tiere nicht mehr problemlos exportiert werden können. Zumindest die meisten der Zoobewohner, die 1844 in die vom Landschaftsarchitekten Peter Joseph Lenné gestaltete Anlage zogen, hatten keine weite Anreise. Sie kamen von der Pfaueninsel auf der Havel. Friedrich Wilhelm IV. stiftete seinen geerbten Privatzoo mit etwa 100 Tieren, darunter viele Vögel, Hirsche, Bären, aber auch Exoten wie ein Leopard und Kängurus. Sie bildeten den Grundstock des Zoos. Ein Zoo in der Stadt sei für die Bürger Berlins damals ein wichtiger Teil der Bildungslandschaft gewesen, so der Historiker. „Man wollte ein möglichst breites Spektrum der Fauna abbilden.“ Anja Sokolow

Anja Sokolow

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