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Brandenburg: „Die Ermittlungen der Polizei müssen besser werden“

Justizminister Helmuth Markov spricht im PNN-Interview über Personal und Finanzen, lange Verfahren, seine Pläne bis 2019, Hakeleien mit Berlin um gemeinsame Projekte und ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu DDR-Heimkindern

Stand:

Herr Markov, Sie sind vor etwas mehr als einem Jahr Justizminister geworden, es gab in der Justiz Vorbehalte, weil sie zuvor als Finanzminister vor allem für das Sparen zuständig waren. Wie ist das Verhältnis jetzt?

Es ist ja für Brandenburg nichts Neues, dass jemand Justizminister wird, der kein Jurist ist. Ein Beispiel war Frau Blechinger von der CDU. Von daher war das Ministerium das gewöhnt. Vorbehalte gab es, aber das hat dann im Tagtäglichen keine Rolle gespielt. Und ich hatte auch nicht das Gefühl, dass das Haus deshalb Vorurteile hatte. Natürlich habe ich die Rollen wechseln müssen. Letztlich musste ich als Finanzminister versuchen, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen allen Häusern herzustellen, entsprechend den politischen Prioritäten des Koalitionsvertrages. Der Finanzminister ist der Volkswirtschaftler, als Fachminister ist man der Betriebswirtschaftler und ist für sein Haus verantwortlich. Dass die Fachminister nicht vor Freude an die Decke springen, wenn sie vom Finanzminister wiederkommen, das liegt in der Natur der Sache.

Und was ist jetzt in der neuen Legislatur anders?

Als wir im Februar vorigen Jahres hergekommen sind, wussten wir, dass wir für acht Monate da sind. Wahlen standen an, keiner wusste, wie diese ausgehen würden, welche Konstellationen sich ergeben. Von daher haben wir uns primär dem Tagesgeschäft gewidmet. Jetzt wissen wir, dass wir wieder fünf Jahre hier sein werden. Wir können also strategisch planen, wo wir 2019 sein wollen. Wir wissen, wo wir hinwollen und welches Personal wir dafür brauchen.

Auch Sie mussten kürzlich zum Chefgespräch mit Finanzminister Görke für den Haushaltsentwurf des Kabinetts. Darin wird bei der Polizei kräftig aufgestockt, bei den Lehrern ebenso, für die Justiz, immerhin Verfassungsressort, gibt es nur wenig. Reicht das denn aus?

Es gibt einen Koalitionsvertrag. Darin haben sich die Partner auf politische Schwerpunkte geeinigt. Die Prioritäten liegen bei Bildung, Sicherheit und Infrastruktur. Das ist gut so. Ich bin aber überzeugt, die Mittel, die wir für die Justiz zur Verfügung gestellt bekommen, sind für uns auskömmlich. Im Doppelhaushalt 2015/2016 ist das Ministerium für Justiz, Europa und Verbraucherschutz gut finanziert. Dass man immer die eine oder andere Stelle dazu haben wollte, ist normal. Aber was wir dringend brauchten, haben wir bekommen. Wir können mit dem Geld alle unsere Aufgaben erledigen.

Gehen wir ins Konkrete. Wie viele Stellen bekommt die Justiz?

In neuen Doppelhaushalt haben wir einen Einstellungskorridor für dieses Jahr von 48 Stellen und für 2016 für weitere 45 Stellen. Da helfen uns auch sogenannte Nachwuchsstellen. Hinzu kommen 48 neue Stellen. Wichtig ist dabei das Zugeständnis, dass zum Beispiel 40 Stellen, deren Wegfall eigentlich schon vereinbart war, jetzt erhalten werden können. Wir dürfen also 40 Leute mehr behalten. 29 Stellen sind für den Justizvollzug, neun komplett neue Stellen sind für die Sozialgerichtsbarkeit, davon zwei neue Richterstellen. Ob die übrigen elf Stellen, die nun nicht wegfallen, alle in die Sozialgerichte kommen, das werden wir noch festlegen. Besonders froh sind wir außerdem über 50 Stellenhebungen im Vollzug, also Beförderungen. Das ist für uns ein Riesenerfolg.

Es gibt also zwei zusätzliche Richter für die Sozialgerichte. Das Landessozialgericht fordert einen Masterplan mit zehn Richterstellen, um den Verfahrensstau und der Klageflut Herr zu werden.

Insgesamt gibt es 19 Stellen für die Sozialgerichte, nicht nur Richter. Die brandenburgischen Sozialgerichte sind enorm fleißig. Die Anzahl der abgearbeiteten Fälle pro Richter ist sehr, sehr hoch.

Nun ja, in keinem Bundesland sind sie höher.

Es gibt in Brandenburg besonders viele Klagen, das stimmt. Aber die Erledigungsleistung der Brandenburger Sozialrichter ist überdurchschnittlich. 2014 hat sich die Zahl der eingegangenen Verfahren ein Stückchen minimiert. Schon jetzt sind wir fast in der Lage, die neu einkommenden Fälle abzuarbeiten. Wir schieben aber aus der Vergangenheit einen enormen Berg vor uns her. Der verursacht im Durchschnitt auch die langen Laufzeiten. Wir glauben, dass wir mit unseren Maßnahmen in der Lage sind, den Berg an Verfahren abzuarbeiten. Und man darf nicht vergessen, wir haben in der letzten Legislatur erstmals überhaupt zusätzliche neue Sozialrichter eingestellt. Ohne die wäre der Berg noch viel höher. Wenn die Eingangszahlen weiter sinken, ist das sehr hilfreich. Aber man muss auch anerkennen: In der Sozialgerichtsbarkeit gibt es viele komplizierte Fälle. Bei den Hartz-IV-Fällen kämpfen die Leute um ihre zehn Euro – und das mit Recht. Für sie sind zehn Euro viel Geld. Deshalb arbeiten wir parallel zusammen mit dem Sozialministerium daran, die Arbeit in den Jobcentern zu verbessern. Wenn jede zweite Hartz-IV-Klage vor Gericht erfolgreich ist, zeigt das, dass hier Verbesserungsbedarf besteht. Wir brauchen aber auch mehr Beratung und Moderation, damit viele Fälle erst gar nicht vor Gericht landen.

Aus den Amts- und Landgericht, auch aus den Staatsanwaltschaften sind Ihnen die Klagen über überlange Verfahren, über die hohe Belastung des Personals bekannt. Reicht der Einstellungskorridor aus, um das immer häufiger durch die Realität infrage gestellte Verfassungsrecht der Bürger auf zügige Verfahren zu erfüllen?

Wir sind in der Verfahrensbearbeitung drastisch nach unten gekommen. Trotzdem stehen wir im Bundesdurchschnitt noch lange nicht auf einem vorderen Platz. Es wird immer in bestimmten Fällen schwierig sein, ein Verfahren schnell abzuschließen. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen fußen zum Beispiel sehr stark darauf, dass polizeiliche Ermittlungen so laufen, dass sie während eines Prozesses nicht permanent angegriffen werden können. Da wünschen wir uns auch, dass die polizeilichen Ermittlungen besser werden. Wie kriegen wir es zum Beispiel hin, dass Kriminalpolizisten von vornherein als Kriminalisten ausgebildet werden und sich nicht erst später spezialisieren? Das könnte helfen. Ein weiteres großes Projekt ist die Einführung der elektronischen Akte. Ich hoffe, dass damit auch vieles schneller gehen wird.

Ihr Vorgänger, Volkmar Schöneburg, hat aus Sicht der meisten Fachleute eines der modernsten und liberalsten Strafvollzugsgesetze in der Bundesrepublik durchgesetzt. Im Strafvollzug fallen jetzt 29 Stellen weniger weg. Wie soll damit die im Gesetz vorgeschriebene stärkere Resozialisierung überhaupt umgesetzt werden, die sehr personalintensiv ist?

Wir haben beim Strafvollzug die Mittel für das Übergangsmanagement, also der Begleitung aus der Haft in die Freiheit, aufgestockt. Wir haben Mittel für die forensische Ambulanz deutlich erhöht, also für die Nachsorge. Wir haben die Mittel ab 2015 mehr als verdoppelt. Die Voraussetzungen sind also gut, den Ansprüchen, die wir uns selbst gestellt haben, entsprechen zu können. Dass da noch viel Arbeit drinsteckt, stimmt. Verordnungen und Verwaltungsvorschriften müssen bearbeitet werden, das ganze Prozedere vereinheitlicht werden, das fängt an bei den Formblättern in den Vollzugsanstalten. Auch das passiert jetzt. Es gibt da ganz viele Stellschrauben.

Eine Arbeitsgruppe ihres Ministeriums untersucht noch den Personalbedarf für das neue Gesetz im Strafvollzug. Ein Zwischenergebnis ist, dass mehr als 1100 Stellen nötig seien, weil eben mehr Betreuung nötig sei und nicht mehr nur der Schließer. Aktuell sind es weniger als 1000 Vollzugsbedienstete. Wie also soll das gehen?

Die Zahlen sind immer unter bestimmten Voraussetzungen errechnet worden. Wenn sich die Voraussetzungen, etwa die Zahl der Krankheitstage, ändern, ändert sich der Bedarf. Außerdem sinken die Gefangenenzahlen, auch dadurch wird der Personalbedarf sinken. Dank der Stellen, die wir nicht mehr einsparen müssen, die also mehr im System bleiben, kriegen wir die Probleme schon gelöst. Wenn wir für den nächsten Doppelhaushalt 2017/18 jedoch sehen, dass mehr nötig ist, gehe ich hin und sage ich brauche mehr, wie auch Innenminister Schröter sagt, er braucht mehr Polizisten. Aber ich mache das nur, wenn ich überzeugt bin, dass wir die auch brauchen. Das kann ich jetzt aber noch nicht sagen. Wir rechnen den Bedarf jetzt mit großem Aufwand durch.

Anderes Thema: das Verhältnis zu Berlin und ihrem Amtskollegen Thomas Heilmann dort. Um die Besetzung des Präsidentenpostens des gemeinsamen Landessozialgerichtes gab es Irritationen. Dabei galt die Zusammenarbeit in der Justiz, bei gemeinsamen Obergerichten, als vorbildlich. Warum läuft es nicht rund?

Ob die Zusammenarbeit im Justizbereich mal besser lief, werde ich jetzt hier nicht bewerten. Ich kann mich erinnern, dass es mal Debatten um eine gemeinsame Haftanstalt gab, wovon sich die damalige Justizsenatorin Frau von der Aue dann verabschiedet hat. Beim Landessozialgericht sind wir im Verfahren. Es gab eine Entscheidung des Präsidialrats für einen Bewerber, Berlin wollte sein Einvernehmen herstellen, dann hat sich ein weiterer Bewerber gemeldet. Jetzt muss das ganze Verfahren noch einmal von vorn beginnen.

Ein anderes Beispiel ist der gemeinsame Jugendarrest. Auch da gab es Hakeleien zwischen Ihnen und Senator Heilmann über die Landesgrenze hinweg. Wird es den gemeinsamen Jugendarrest nun geben oder schicken sie die Arrestanten nach Wriezen?

Das kann ich gegenwärtig nicht sagen. Wir hatten kürzlich eindeutige Signale aus Berlin, dass man davon ausgeht, dass ein Staatsvertrag bis zur Abgeordnetenhauswahl nicht möglich ist. Wir brauchen aber einen Staatsvertrag, der absolut rechtssicher ist, damit Brandenburger Jugendliche in Berlin nach Brandenburger Recht betreut werden. Wir haben deshalb auch angefangen, nach Alternativen zu suchen. Da Herr Heilmann mich dann aber informiert hat, dass er doch ein Interesse hat und einen Staatsvertrag für möglich hält, werden wir nun zeitnah alle offenen Fragen abhandeln und zeitnah entscheiden, ob es geht.

Das Bundesverfassungsgericht hat jüngst der Klage einer Brandenburgerin stattgegeben, die in der DDR in einem Durchgangsheim eingesperrt war und nun rehabilitiert werden will. Das wurde ihr und vielen anderen von Brandenburger Gerichten über Jahre verwehrt – zu Unrecht. Das Urteil aus Karlsruhe dazu ist deutlich, hart und ist eine Ohrfeige für Brandenburgs Justiz. Wie bewerten Sie das?

Das Urteil ist keine Ohrfeige für die Brandenburger Justiz. Vielmehr beweist es, dass der Rechtsstaat funktioniert. Als die Betroffenen, darunter war auch die Klägerin, im vergangenen Sommer hier vor dem Ministerium demonstriert haben, habe ich mich mit einem Teil von ihnen sehr ausführlich unterhalten. Und ich habe ihnen auch gesagt, dass ich an den Rechtsstaat glaube. Und dass ich denke, dass das Bundesverfassungsgericht sehr zeitnah entscheiden wird. Das geht viel schneller, als über den Bundesrat das Rehabilitationsgesetz ändern zu wollen. Das Ministerium hat eine Einschätzung der Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur an das Bundesverfassungsgericht geschickt. Es gab auch zwei Fälle aus anderen Bundesländern. Es war also keine spezifisch brandenburgische Verfahrensweise. Es gab bei den Gerichten eine einheitliche Auffassung, was notwendig ist, bei solchen Rehabilitationsanträgen. Jetzt sagt Karlsruhe, dass mehr gemacht werden muss bei der Prüfung. Ich gehe davon aus, dass das jetzt gemacht wird. Ich werde mich nicht dazu äußern, ob ich die Entscheidung gut fand oder nicht. Da habe ich die richterliche Unabhängigkeit zu respektieren.

Das Gespräch führte Alexander Fröhlich

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