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Von Sandra Dassler und Stefan Jacobs: Die ersten Ausrutscher des Winters
Gefrierender Regen ließ Fußgänger straucheln / Die S-Bahn strich ihren Fahrplan schon vorher zusammen
- Sandra Dassler
- Stefan Jacobs
Stand:
Berlin - Die Berliner Händler in den Weihnachtsmarktbuden am Potsdamer Platz wissen es ganz genau: „Kurz vor elf ging das los“, sagt die Currywurstverkäuferin, „Da kamen hier einige Leute ins Rutschen.“ Der Grund war Blitzeis, das sich bildete, als der am Dienstagvormittag einsetzende Regen auf den gefrorenen Boden traf. Während beispielsweise im Sony-Center gut gestreut war, wurde der Weg zu den gegenüberliegenden Arkaden zur Endlos-Eisbahn. An der Kreuzung Voxstraße/Ludwig-Beck-Straße lehnten zwei Japaner entnervt an der Hauswand, bis ihnen ein älterer Herr empfahl: „Gehen sie auf die Hauptstraßen, die sind gelaugt.“
Tatsächlich machte das Blitzeis vor allem den Fußgängern zu schaffen – auch weil die Streupflicht auf den Gehwegen ziemlich lax gehandhabt wurde. Die Rettungsstellen der Krankenhäuser mussten sich um mehr Knochenbrüche kümmern als sonst. „Bis 15 Uhr hatten wir in unserer Rettungsstelle 18 Patienten mit Sturzverletzungen, davon zehn mit Frakturen“, sagte Christian Träder, Chefarzt der Rettungsstelle des Vivantes-Auguste-Viktoria-Klinikums in Schöneberg: „An normalen Tagen fallen hier höchstens zwei Patienten mit Frakturen an.“
Zu Fuß war es auf jeden Fall gefährlicher als im Auto, meinte auch die Berliner Polizei, die zwischen 12 und 15 Uhr 83 Verkehrsunfälle registrierte, nur wenig mehr als an normalen Tagen. Schwer verletzt wurde niemand. „Wir haben noch einmal Glück gehabt“, konstatierte ein Polizeisprecher, als die Regenfront am Nachmittag abgezogen war.
Weniger Glück hatten hingegen viele Reisende. So musste der Flughafen Tegel zwischen 11.30 Uhr und 12.30 Uhr total gesperrt werden. „Wegen Eisregens konnten eine Stunde lang keine Flugzeuge starten und landen“, sagte ein Flughafensprecher. Insgesamt habe man 13 Flüge nach Schönefeld umgeleitet, wo die Wetterverhältnisse nicht so dramatisch waren. Auch vor der Schließung des Flughafens war es bereits zu Verspätungen gekommen – zum einen wegen der Ausfälle auf anderen Flughäfen wie Frankfurt am Main, zum anderen, weil die Maschinen vor dem Start enteist werden mussten.
Der BVG hingegen machte der Eisregen nicht allzu sehr zu schaffen. Zwischen Olympiastadion und Ruhleben musste nach Auskunft von Sprecherin Heike Müller die U 2 ab 11 Uhr knapp eine Stunde lang unterbrochen werden, weil die Stromschiene auf der oberirdisch verlaufenden Trasse vereist war. „Aber das Problem konnten wir mit einem Schmierzug schnell beheben.“ Im Busverkehr habe es nur am ganz frühen Morgen sowie während des Eisregens „am Rand der Außenbezirke“ kleinere Verspätungen gegeben.
Im Gegensatz zur BVG hat die S-Bahn ihr Angebot am Dienstag wieder massiv eingeschränkt: Nur 324 Doppelwagen waren nach Auskunft des Verkehrsverbundes VBB im Einsatz – 44 weniger als noch am Montag und 230 weniger als für den regulären Fahrplan notwendig. Die Ursache ist eine Kombination aus winterbedingten Ausfällen und dem Stau kontrollbedürftiger Waggons vor den Werkstätten. Dort müssen die gebeutelten S-Bahner auch zu Weihnachten klotzen, um wenigstens den Notfahrplan zu retten. Der bedeutet, dass die Verstärkerzüge der S2 zwischen Potsdamer Platz und Lichtenrade ausfallen. Die S3 von Erkner endet schon am Ostbahnhof statt in Spandau, die Ringbahn fährt auch zur Stoßzeit nur im Zehn-Minuten-Takt. Auf der S5 enden die Verstärker von Hoppegarten schon an der Warschauer Straße statt in Charlottenburg, auf der S75 fallen die Verstärker zwischen Warschauer Straße und Wartenberg aus, die Linie S9 von Schönefeld endet am Treptower Park statt in Blankenburg.
Nachdem das Eisenbahn-Bundesamt am Dienstagmorgen die S-Bahn fürs nächste Jahr gewissermaßen unter Bewährung gestellt hat, gab die Bahn am Abend eine Selbstverpflichtung gegenüber der Aufsichtsbehörde bekannt: Bis Mitte 2010 sollen alle kritischen Radsätze der Baureihe 481 ausgetauscht werden. Zuvor werden sie alle 14 Tage mit Wirbelstrommessungen auf Risse geprüft. 20 neue Radsätze sollen noch vor Silvester eintreffen, danach wöchentlich 16 Stück. Die S-Bahner werden also auch noch nach dem Winter pausenlos zu tun haben.
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