Brandenburg: Die Europa-Muffel haben die Wahl
Brandenburg profitiert von Milliarden-Zuschüssen der EU. Die Wahlbeteiligung war stets die schlechteste
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Potsdam - Die Brandenburger sind EU-Muffel, jedenfalls bei den Europawahlen. Zwar galten in Brüssel über Jahre Höchstfördersätze für das Land, das stärker als andere Regionen durch die EU geprägt worden ist. Es flossen und fließen Milliardenbeträge in Infrastruktur, Landwirtschaft und in die Wirtschaftsförderung. Zudem ist Brandenburg mit der EU-Osterweiterung in die Mitte Europas gerückt. Dennoch war die Wahlbeteiligung in keinem anderen Bundesland seit 1994 schlechter bei einer Europawahl als in Brandenburg. 2004 lag sie bei 26,9 Prozent, 2009 bei 29,9 Prozent. Am Sonntag könnte es besser ausgehen – durch das weitaus höhere Interesse an den Kommunalwahlen, 2009 lag die Wahlbeteiligung bei 50 Prozent.
Für die Europawahl in Brandenburg, zu der 17 Kandidaten antreten, hoffen Landeswahlleiter Bruno Küpper, aber auch die Parteien auf eine deutlich höhere Wahlbeteiligung – wegen der parallelen Kommunalwahl, für die sich die Bürger traditionell stärker interessieren, weil sie direkter betroffen sind.
Doch für die Parteien, so scheint es, ist die Europawahl nur Beiwerk. Dabei hat Brandenburg aktuell fünf Abgeordnete im EU-Parlament, von denen drei wieder zur Wahl antreten: Christian Ehler (CDU), Helmut Scholz (Linke) und Ska Keller. Norbert Glante (SPD) muss nach 20 Jahren seinen Platz räumen, statt seiner tritt die bisherige Landtagsabgeordnete Susanne Melior an. Auch die langjährige Europaabgeordnete Elisabeth Schroedter (Grüne) ist nicht mehr dabei. Sie wurde von den Grünen auf Bundesebene nicht mehr nominiert. Auch das hat mit Ska Keller zu tun. Sie ist der heimliche Star Brandenburgs bei dieser Europawahl. Zwei Kandidaten mit Brandenburg-Hintergrund auf aussichtsreichen Plätzen, das war auch den Grünen zu viel. Die 32-jährige Keller ist auch Spitzenkandidatin der europäischen Grünen für das Europaparlament. Seit 2009 sitzt sie schon dort, ist handelspolitische Sprecherin und hat eine Blitzkarriere hingelegt. Sie kommt ursprünglich aus Guben, war mit Mitte 20 Landeschefin der Brandenburger Grünen, die dann 2009 den Einzug in den Landtag schafften. Sie spricht fünf Fremdsprachen fließend, setzt sich mit linken Positionen zur Schuldenkrise und zur Flüchtlingspolitik in Szene, bringt neben den altgedienten EU-Größen mit ihren klaren und deutlichen Ansagen frischen Wind nach Brüssel. Keller und der Linke Scholz haben die aussichtsreichsten Chancen auf einen Wiedereinzug. Melior steht bei der Bundes-SPD auf dem unsicheren Listenplatz 22 und muss bangen. Ebenso Christian Ehler (CDU). Der Schatzmeister der Landes-CDU ist in Brandenburg über Parteigrenzen hinweg bis hin zu den Linken geachtet – wegen seiner guten Kontakte. Er ist ein Netzwerker, der oft genug mit dafür gesorgt hat, dass Fördermittel aus Brüssel nach Brandenburg fließen. Sollte es zu einer rot-schwarzen Koalition nach der Landtagswahl kommen, ist es durchaus wahrscheinlich, dass Ehler als Wirtschaftsminister in Potsdam anfängt. Einen sicheren Listenplatz für die Landtagswahl im September hat er schon.
Denn am Sonntag könnte es für Ehler eng werden, weil die CDU in Brandenburg zur Europawahl als einzige Partei mit einer Landesliste antritt. Er braucht also ein gutes Ergebnis in Brandenburg. Und selbst dann gilt noch ein kompliziertes Berechnungssystem. 2009 musste Ehler lange warten, bis für ihn das Ergebnis feststand. Hinzu kommt diesmal noch die größere Konkurrenz: Weil die Drei-Prozent-Hürde wegfällt, haben kleinere Parteien eine größere Chance auf Mandate. Wie die Piraten: Die Netzaktivistin Anke Domscheit-Berg (46) aus Fürstenberg (Havel) steht auf Listenplatz drei und hat durchaus Chancen.A. Fröhlich
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