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Nischt wie raus. Paula Fröling, 15, (l.) und Aisha Bongiorni, 18, finden das Wannsee-Erlebnis „frisch, aber spaßig“.

© Annette Kögel

Brandenburg: Die Frisur sitzt

Sechs Grad im Wasser, sieben Grad in der Luft. In Bikini und Flipflops beginnt die Saison am Wannsee

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Berlin - Die Beine von Anton Syamken, 14, sehen knallrot durchblutet aus, und die Windchilltemperatur im Strandbad Wannsee im Berliner Südwesten fühlt sich genauso an: eisekalt. „Ich gehe jetzt noch mal rein, damit ich meine Füße wieder fühle“, sagt der Schöneberger, und sein Vater Martin Bock, 53, lässt ihn gewähren. „So ist er halt“, sagt der Vater lächelnd, „und er ist alt genug, er kann das selbst entscheiden.“ Draußen in der Havel, sechs Grad kalt, taucht der DLRG-Retter und Unterwasserrugbyspieler Anton sogar kurz unter. Und flitzt dann aber doch zurück ans Ufer.

Sechs Grad Wasser, sieben Grad Luft. Ach, wäre man nur in Mailand, da, wo Aisha Bongiorni herkommt. Aber die 18-jährige Austauschschülerin aus Italien sitzt im größten Binnenseeschwimmbad Europas – mit nackten Füßen, in Flipflops, im Strandkorb. Andere Anbadetaggäste flanieren in Daunenjacke und Winterstiefeln vorbei. „Nur die Füße waren richtig kalt, aber sonst wird man richtig wach und fühlt sich frisch“, freut sich Aishas Gastelterntochter Paula Fröling, 15. Beide sitzen seelenruhig in Bademantel plus Decke und Schal da. Na ja, heiß duschen ginge auch nicht, am Premieretag der Strandbadsaison 2015 ist nur das WC 3 offen, immerhin mit Heißwasser aus dem Hahn; WC 2 und 4 mit den Duschen müssen noch vom Amt abgenommen werden. Aber die Mädels sind hardcore, selbst der Kamillentee im Strandkorb nebenan von Paulas Mutter und deren Freund bleibt unangerührt.

Im Schwimmmeisterraum ist es ein bisschen wärmer und windstill. Ab und zu klopft mal einer der triefnassen Badegäste an, wie die ältere Frau mit enger Badekappe: Wer im Wasser war, darf sich eine Eintrittskarte nach Wahl für eine Bäderbetriebe-Sauna abholen. Bis einschließlich Ostermontag sind Eintritt und Strandkorb in Wannsee noch gratis, ab Dienstag kostet es. In der Hauptsaison werden bis zu 20 Kräfte an Kasse, bei Technik und am Strand im Einsatz sein.

Es gibt auch einiges Neues am Wannsee zu entdecken in diesem Jahr, zum Beispiel die Chefs – der vormals dienstälteste Badebetriebsleiter Axel Ott ist in Rente gegangen. Alexandra Berger ist die Neue. Neu wird auch die Open-Air-Lounge im ersten Stock fürs Sonnenuntergang-Gucken. Und es gibt Events wie „Waboba“ am 2. Juli, da ditschen vier gegen vier einen Ball wie einen Stein übers Wasser.

Der alte Kinosaal, der Karfreitag geschrubbt wird, wird aber nicht wiederbelebt, das rentiere sich nicht. Draußen laufen die Malerarbeiten und Fliesenreparaturen. Die große Bad-Sanierung, etwa der Strandbad-Elektrik, ist lange durch.

Und wenn sie richtig Geld zur Verfügung hätten? Da kommen alle ins Schwärmen. Dann würde die Strandbad-Wannsee-Crew das Restaurant „Lido“ vorn links wiederbeleben. Zwar sollen die Wannsee-Terrassen öffnen. Früher konnte man rechts am Strand durch eine Drehtür nach oben zum Essen gehen. Aber zurück kommt man halt nicht mehr. Und es müsste dringend Sand nachgekippt werden, den alten vom Timmendorfer Strand verwehen die Winterstürme.

Zunehmend waten hier am Wannsee auch Familien mit Migrationshintergrund durchs Wasser, die vorm teils krawalligen Stadtbadpublikum fliehen – wo jugendliche Randspringer sich schon mal am Schwimmmeister mit Wasserpistolen voll Urin abreagieren. Auch zerstochene Räder am Auto eines auf die Baderegeln hinweisenden Rettungsschwimmers gibt es am Naturflussbad nicht. Hier stehen auch keine Sprungtürme zur Selbstdarstellung bereit; dafür ein großer FKK-Bereich. Also nüscht wie raus. Selbst bei sechs Grad. Annette Kögel

Annette Kögel

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