zum Hauptinhalt

Brandenburg: Die geschwänzte Wahl

Schlechte Wahlbeteiligung / SPD legt zu, Linke verliert, Grüne und FDP im Hoch, Rechte stürzen ab

Stand:

Potsdam - Eine gute Nachricht aus Brandenburg: Sechs Brandenburger – so viele wie noch nie – haben bei der Europawahl am Sonntag den Sprung in das Straßburger Parlament geschafft. Zugleich herrschte bei den Parteivorsitzenden am Tag nach der Europawahl Ratlosigkeit über die – das war die schlechte Nachricht – wiederum schwache Wahlbeteiligung. Brandenburg behielt mit einer Beteiligung von nur 29,9 Prozent bundesweit die rote Laterne. Fazit: Die Brandenburger haben auch diese EU-Wahl mehrheitlich geschwänzt.

Wie Landeswahlleiter Bruno Küpper am Montag in Potsdam mitteilte, gehen für die SPD Norbert Glante und die kürzlich von Berlin nach Potsdam umgezogene Dagmar Roth-Behrendt ins Europäische Parlament. Bei der CDU wurde Christian Ehler gewählt. Die Grünen entsenden Elisabeth Schroedter und Ska Keller nach Brüssel und Straßburg. Für die Linke zieht Helmut Scholz ins Europaparlament. Bislang hatte Brandenburg vier EU-Abgeordnete.

Bei der Europawahl am Sonntag wurde die Linke trotz Verlusten von 4,9 Punkten mit 26,0 Prozent erneut stärkste Kraft. Die SPD legte um 2,2 Punkte auf 22,8 Prozent zu. Die CDU verringerte ihren Stimmanteil um 1,5 Punkte auf 22,5 Prozent. Die Grünen legten um 0,6 Punkte auf 8,4 Prozent zu, und die FDP verbesserte sich von 4,7 auf 7,4 Prozent.

Die Wahlbeteiligung lag bei 29,9 Prozent. Das waren zwar drei Prozentpunkte mehr als 2004, Brandenburg wies damit aber erneut die schlechteste Wahlbeteiligung bundesweit auf. Den geringsten Wert im Land meldete die Stadt Brandenburg/Havel mit 24,4 Prozent, den höchsten Wert erreichte Potsdam mit 37 Prozent.

Trotz des Verlustes von fast 9600 Stimmen ist die Linke optimistisch für die Landtagswahl im September. Die Partei habe sich als stärkste Kraft behauptet, sagte Parteichef Thomas Nord. Bei der Landtagswahl werde die SPD zwar traditionell wieder stärker abschneiden als bei der Europawahl. Doch sei er zuversichtlich, dass die Linke auf Augenhöhe mit der SPD stehen werde. Gründe für das schlechtere Abschneiden sieht Nord unter anderem in parteiinternen Auseinandersetzungen.

SPD-Landeschef Matthias Platzeck ist unzufrieden mit dem Wahlergebnis: „Das war eine große Enttäuschung für die SPD.“ Sowohl für die Bundespartei als auch den Landesverband habe er bessere Ergebnisse erwartet, räumte der Ministerpräsident ein. Die SPD habe es nicht geschafft, eine „akzeptable und respektable Wählerbeteiligung“ zu erzeugen. Mit Blick auf die Landtagswahl äußerte sich Platzeck aber zuversichtlich. Einerseits werde es eine deutlich höhere Wahlbeteiligung geben, andererseits habe die SPD von Europa- zu Landtagswahlen immer kräftig zugelegt. Ähnliche Effekte in diesem Jahr vorausgesetzt, könne die SPD im September bei etwa 35 Prozent ankommen.

CDU-Landeschefin Johanna Wanka zeigte sich zufrieden. Die Union liege fast gleich auf mit der SPD. „Für das Ergebnis haben wir hart gekämpft“, betonte die Kulturministerin in der rot-schwarzen Landesregierung. Die Europawahl sei ihre erste Wahl als Landesvorsitzende der CDU gewesen, fügte Wanka hinzu. Das sei nach den internen Auseinandersetzungen der vergangenen Jahre ein wichtiger Stimmungstest gewesen.

Die Grünen-Landesvorsitzende und neue EU-Abgeordnete Keller bezeichnete das Ergebnis ihrer Partei als „sehr gut“. Die Grünen hätten bewiesen, dass sie gerade in der Wirtschaftskrise eine echte Alternative seien. Landeschef Axel Vogel fügte hinzu: „Wir sind breiter geworden.“ Die Grünen erzielten jetzt auch in der Peripherie des Landes deutliche Zugewinne. Ökologische Themen seien wichtiger geworden, so Vogel. So zahle sich der Widerstand gegen neue Braunkohle-Tagebaue aus. Das lasse sich an den guten Ergebnissen in Spree-Neiße (6,6 Prozent) und Cottbus (8,9 Prozent) ablesen. Das stimme optimistisch für die Landtagswahl im September, bei der die Grünen mit deutlich mehr als fünf Prozent wieder ins Parlament einziehen wollten.

Das gleiche Ziel hat auch die FDP. Landeschef Heinz Lanfermann sieht dafür beste Voraussetzungen. Die Liberalen hätten den stärksten Zuwachs unter den märkischen Parteien erreicht. Dabei habe die FDP überall im Land zugelegt. Die Partei strebe mit ihrem Einzug in denLandtag auch eine Regierungsbeteiligung an. Die SPD habe ein „Desaster“ erlebt. „Steinmeier hat nicht gezogen“, bilanzierte der FDP-Politiker die Plakatierung mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der auch Bundestags- Spitzenkandidat der brandenburgischen SPD ist.

Positiv werteten die demokratischen Parteien das schwache Abschneiden der rechtsextremen DVU (1,7 Prozent). Sie hatte bei der Landtagswahl 2004 noch 6,1 Prozent erzielt. Ein Wiedereinzug in den Landtag bei den Wahlen im September scheint für die DVU nach der Europawahl damit fraglich. In Deutschland insgesamt blieb die Partei bei 0,4 Prozent hängen und erreichte damit nicht einmal die für eine Wahlkampfkostenerstattung notwendigen 0,5 Prozent. Die finanzielle Situation der DVU dürfte sich verschlechtern.

Das Debakel der Partei hat mehrere Ursachen. Der DVU ist es auch nach fast zehn Jahren im Landtag nicht gelungen, in Brandenburg größere Strukturen aufzubauen. Außerdem wirkt die Fraktion blass. Und es schwelt ein Konflikt mit der verbündeten NPD, die zugunsten der DVU bundesweit auf einen Antritt zur EU-Wahl verzichtete, aber verärgert ist, weil der neue DVU-Chef Matthias Faust versucht, sich vom brachialen Rechtsextremismus ein wenig abzugrenzen.

Schon bei den Kommunalwahlen im September 2008 erreichte die DVU nur 1,6 Prozent und wurde von der ebenfalls angetretenen NPD mit 1,8 Prozent überholt. Bei der Landtagwahl 2004 hatte die DVU noch 6,1 Prozent geschafft.pet/ddp/dpa/fan

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })