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Brandenburg: Die geteilte Stadt

Guben: Die Pläne des „Körperwelten“-Erfinders Gunther von Hagens entzweit die Einwohner

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Guben - Ein emotional geführter Streit entzweit Familien, Kollegen und Bekannte in der südbrandenburgischen Stadt Guben. Grund sind die Pläne des durch die „Körperwelten“-Ausstellungen bekannten Plastinators Gunther von Hagens, dort ein „Institut für Plastination“ einzurichten. Wenige Tage nach Bekanntwerden dieser Absicht (PNN berichteten) sind die Fronten verhärtet: Während die Gegner befürchten, dass Guben als „Stadt der Leichen“ bekannt wird, hoffen die Befürworter auf neue Arbeitsplätze.

Bürgermeister Klaus-Dieter Hübner (FDP) mahnt in der bisweilen heftig geführten Auseinandersetzung zur Sachlichkeit. Er habe Hagens bisher nur einmal am 3. November zu einem rein informellen Gespräch getroffen, bei dem der Gast auch den Komplex der „Gubener Wolle“ besichtigte, der für das Institut in Frage käme. Das Werksgelände direkt am Grenzfluss Neiße ist praktisch seit der Wende eine Industrieruine. Ein Teil wird noch von der Stadtverwaltung genutzt, die 2006 aber umzieht.

Investoren für den maroden Komplex sind nicht in Sicht. Die Stadt habe angesichts sinkender Zuschüsse nicht einmal das Geld, die Backsteingebäude abzureißen, heißt es aus der Stadtverwaltung. Da lassen die Pläne des Leichenplastinators bei vielen Menschen in der einstigen Tuchmacherstadt, die seit der Wende rund 10 000 ihrer einst 34 000 Einwohner verloren hat, Hoffnung auf neue Jobs aufkeimen. Doch Medienberichte von 200 Arbeitsplätzen hält selbst der als Befürworter geltende Spree-Neiße-Landrat Dieter Friese (SPD) für völlig überzogen.

Auch Hagens selbst will diese Zahlen weder versprechen noch verneinen, wie er in dieser Woche in einem Brief an die Stadtverordneten schrieb. Darin stellt er klar, dass er keinesfalls plant, die Präparation menschlicher Körper von China nach Guben zu verlegen. In Guben sei stattdessen die „Fertigung dünner plastinierter Körperscheiben von Mensch und Tier“ beabsichtigt. Zudem sollen dort Plastinate von großen Tieren wie Elefanten und Giraffen angefertigt werden. Auch Forschungs- und Lagerkapazitäten seien vorgesehen.

Bisher habe es nur Absichtserklärungen gegeben, stellt Bürgermeister Hübner klar. Auch zeige der Brief des Plastinators, dass in Guben gar keine Leichen präpariert werden sollen. „Wenn der erst mal hier ist, ist er hier“, sagt dagegen einer der entschiedenen Gegner der Pläne, der SPD-Stadtverordnete Ingo-Kersten Ley. Für die Plastination von Körperscheiben würden tiefgefrorene Leichen zerschnitten, sagt er.

Auch die christlichen Gemeinden der Stadt trugen ihre ablehnende Haltung diese Woche geschlossen beim Bürgermeister vor: „Die Grenze dessen, was ethisch verantwortbar ist, wird da überschritten, wo menschliche Leichen zum Zwecke der Ausstellung präpariert werden“, sagt der evangelische Pfarrer Michael Domke.

Stadtoberhaupt Hübner verweist darauf, dass es keinen rechtlichen Ansatz gibt, die Ansiedlung zu verhindern. Wenn Hagens die „Gubener Wolle“ von einer Treuhand-Nachfolgegesellschaft kaufe, brauche er nur das Gewerbe anzumelden und eine Nutzungsänderung zu beantragen. Der Plastinator schreibt jedoch, er sei bereit, sein Vorhaben in Guben zu erläutern. Auch die Stadtverordneten sind der Ansicht, dass mehr Information nötig ist. Anfang 2006 soll es daher eine Einwohnersammlung geben, zu der auch Hagens eingeladen werden soll.

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