zum Hauptinhalt

Neues von der Lausitz-Uni: „Die Hochschulfusion ist revidierbar“

Der Potsdamer Verwaltungsrechtler Klaus Herrmann über Willkür der Landesregierung beim Universitätszusammenschluss in der Lausitz, die Risiken des Projektes und die Chancen der Gegner vor den Verfassungsgerichten

Stand:

Seit Montag gibt es in Brandenburg eine neue Universität, fusioniert aus BTU Cottbus und der Fachhochschule Lausitz in Senftenberg, vor Ort ein umstrittenes Projekt. Die Verfassungsgerichte des Landes Brandenburg und im Bund haben Anträge Ihrer Mandanten auf einstweilige Verfügungen, um die Fusion doch noch zu stoppen, abgelehnt. Wie geht es jetzt weiter, steht die Fusion, welche weiteren Verfahren gibt es jetzt noch?

Bei dem Landesverfassungsgericht liegt eine Verfassungsbeschwerde der BTU Cottbus vor, bei dem Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde von zwei Fakultäten. Offen ist auch das Normenkontrollverfahren der CDU-Landtagsfraktion. Und es gibt noch Verfassungsbeschwerden von Hochschullehrern beim Landes- und dem Bundesverfassungsgericht.

Vorerst sind Sie aber vor den Gerichten gescheitert.

Sowohl das Landes- als auch das Bundesverfassungsgericht haben eine umfassende Abwägung vorgenommen. Beide Gerichte haben bestätigt, dass Nachteile von Gewicht vorliegen, auch wenn es zu unterschiedlichen Abstufungen gekommen ist. In ihren Entscheidungen haben sie auch verdeutlicht, dass die Fusion rückgängig gemacht werden kann und muss, wenn sich das Fusionsgesetz als verfassungswidrig herausstellt. Die in der Zwischenzeit eintretenden Änderungen wurden nur als nicht so schwerwiegend bewertet. Eine Niederlage war das also nicht.

Welche Hinweise haben die Gerichte in ihren Beschlüssen denn für die noch anstehenden Verfahren gegeben, die Sie nun hoffen lassen?

Beide Gerichte bezeichnen die Hauptverfahren als im Ergebnis offen. Die geäußerten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit haben demnach Gewicht. Eine Entscheidung darüber wurde jedenfalls vom Landesverfassungsgericht für die nähere Zukunft angekündigt. Beide Gerichte gehen auch davon aus, dass alle Schritte auf dem Weg der Fusion gerichtlich überprüft werden können. Hinzu kommt, dass das Bundesverfassungsgericht eine Art Schutzschild vorgesehen hat für die Hochschullehrer. Die Befugnisse des vom Wissenschaftsministerium eingesetzten Gründungsbeauftragten wurden beschränkt. Weil die Hochschullehrer an seiner Bestellung nicht beteiligt waren, darf er keine wissenschaftsrelevanten Entscheidungen treffen.

Was heißt das?

Das heißt vor allem, dass es bis zur Bestellung eines Gründungspräsidenten keine Berufung neuer Professoren geben wird.

Was bedeutet das für den laufenden Wissenschaftsbetrieb der neuen Hochschule?

In einigen Bereichen der BTU herrscht leider ein kritischer Zustand bei der Lehre. Das Wissenschaftsministerium hat über mehrere Jahre Stellenbesetzungen bei den Professoren blockiert. Für viele vorhandene Professoren bedeutet dies eine Zusatzbelastung in der Lehre, die zur Steigerung der Forschungsergebnisse auch nicht beiträgt. Dieser Zustand in der Lehre wird sich kurzfristig nicht bessern, weil die Professoren der ehemaligen Fachhochschule ihre fortlaufenden Studiengänge zu betreuen haben.

Und dann könnte bei entsprechendem Urteil die Fusion wieder aufgehoben werden?

Alle Entscheidungen über neue Studiengänge oder Einrichtungen sind nach den Beschlüssen beider Gerichte revidierbar. Stellen die Gerichte fest, dass das Neustrukturierungsgesetz verfassungswidrig ist, wird die neue Gesamthochschule aufgehoben. Allerdings haben der Landtag und das Wissenschaftsministerium diese Unsicherheit hingenommen. Der Protest war deutlich und klar artikuliert.

Welche Chancen rechnen Sie sich aus?

Gute. Beide Gerichte werden prüfen, ob die Gremien der Universität und die Fakultäten bei der Fusionsdebatte außen vor gehalten werden durften. Das Landesverfassungsgericht nimmt sich womöglich auch eine inhaltliche Überprüfung des Fusionsgesetzes vor, das heißt, ob das Willkürverbot verletzt wurde.

Was beklagen Sie genau?

Wir haben Fehler bei der Anhörung und Abwägungsdefizite beklagt. So wurde nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Universität ihrerseits selbst eine Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Lausitz gestalten wollte. Das Abwägungsdefizit ergibt sich aber auch daraus, dass die Entscheidung zur Fusion längst gefallen war, bevor die Hochschulen überhaupt angehört wurden. Es gab eine Vorfestlegung. Durch die Fusion wird schließlich das grundsätzliche Problem auch nicht gelöst, dass alle Hochschulen vom Land nicht ausreichend finanziert werden.

Sie sprachen von Willkür, ein hartes Wort.

Ja, die Hochschulen können verlangen, dass Organisationsentscheidungen offen diskutiert und ohne Vorfestlegungen getroffen werden. Vor allem muss zuvor mit den betroffenen Hochschulen gesprochen werden. Stattdessen gab es handwerkliche Fehler, die das Zusammenwachsen noch schwerer machen. Egal was die neue BTU jetzt macht, geplant werden kann nur der Zeitraum, bis die Verfassungsgerichte entscheiden. Das sind keine idealen Voraussetzungen für die Arbeit an der Hochschule.

Unabhängig davon läuft noch ein Volksbegehren. Ist es erfolgreich und lehnt der Landtag ab, kommt es zum Volksentscheid. Wie könnte die Politik die Lage noch retten?

Der Landtag kann jederzeit ein neues Verfahrensgesetz vorgeben, um über die Hochschulstruktur und die Bereitschaft zur konkreten Zusammenarbeit, dort wo sie sinnvoll ist, mit den Betroffen und den Hochschullehrern zu sprechen. Angesichts bestehender Organisations- und Finanzierungsmängel muss anerkannt werden, dass qualifizierte Forschung und eine gute Lehre mehr voraussetzen als eine neue Strukturidee; erfolgreiche Wissenschaft kann nicht von oben verordnet werden.

Das Interview führte Alexander Fröhlich

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })