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Unfallflucht? Die Landtagsfraktionsvorsitzende der Linken, Margitta Mächtig, soll nach dem Willen der Staatsanwaltschaft 3750 Euro zahlen, weil sie im Juli 2013 mit ihrem Fahrzeug ein anderes Auto beschädigt haben und dann weggefahren sein soll.

© Bernd Settnik/dpa

Brandenburg: Die Kräfte der Justiz

Die Staatsanwaltschaft hat gegen Linksfraktionschefin Mächtig einen Strafbefehl beantragt. Darüber hinaus offenbart der Fall viel über das Verhältnis zwischen Linken und Brandenburgs Justizapparat

Stand:

Potsdam - Schlechte Nachricht für die Linke in Brandenburg vier Monate vor der Landtagswahl: Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) hat einen Strafbefehl gegen Linksfraktionschefin Margitta Mächtig beantragt. Ihr wird Fahrerflucht vorgeworfen. Sie soll 3750 Euro Strafe bezahlen. Eine offizielle Bestätigung für einen entsprechenden Bericht der „Bild“-Zeitung gibt es bislang zwar nicht. Den PNN ist aber von mehreren Seiten aus der Justiz der Sachverhalt bestätigt worden.

Für Mächtig selbst ist der Vorgang brisant, zudem sagt er viel aus über das angespannte Verhältnis der Linken zur Justiz nach dem Rücktritt von Ex-Minister Volkmar Schöneburg wegen Begünstigung von strafgefangenen Ex-Mandaten.

Über den Strafbefehl befinden muss das Amtsgericht Eberswalde (Barnim). Sollte es den Strafbefehl bestätigen, kommt das einer Verurteilung gleich. Beim zuständigen Amtsgericht in Eberswalde liegt der Antrag auf Erlass des Strafbefehls aber noch nicht vor. Bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) wird der Antrag nicht bestätigt. Ein Sprecher sagte lediglich, im Fall Mächtig habe die Ermittlungs- und Anklagebehörde eine verfahrensabschließende Entscheidung getroffen. Und auch Mächtig selbst ließ über eine Sprecherin der Linke-Landtagsfraktion ausrichten, weder Mächtig selbst noch ihrem Anwalt liege der Antrag der Staatsanwaltschaft vor. Die Fraktionschefin, die mit dem Landtagspräsidium in Graz (Österreich) weilte, werde sich zu gegebener Zeit dazu äußern.

Dass Teile der Justiz dennoch die Information über den beantragten Strafbefehl durchgestochen haben, noch bevor der Betroffenen selbst oder dem Amtsgericht der Schriftsatz vorliegt, spricht Bände: über die Linke, aber auch über die Justiz.

Der Mächtig zur Last gelegte Vorwurf, also das unerlaubte Entfernen vom Unfallort, reicht zurück ins Jahr 2013. Mächtig hat – das räumte sie nach Bekanntwerden des Falls selbst ein – am 22. Juli in Eberswalde beim Einparken ein Auto touchiert. Der Schaden an dem anderen Wagen belief sich auf 500 Euro. Mächtig hinterließ nach eigenen Angaben nur einen Zettel mit ihrer Telefonnummer an der Windschutzscheibe, weil es aus ihrer Sicht keinen Schaden gegeben habe.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft soll sie später, nachdem der Halter des beschädigten Wagens nicht kam, den Zettel wieder entfernt haben. Die Politikerin bestreitet die Vorwürfe. Sie habe nach dem Unfall eine Nachricht hinterlassen und zwischenzeitlich auch, wie in solchen Fällen üblich, einen Fragebogen der Polizei ausgefüllt, hatte sie im Februar gesagt. Allerdings gibt es für die Unfallflucht zwei Zeugen: Sie hatten aus einem Café Mächtig beobachtet und die Polizei über die Unfallflucht informiert. Dass gegen Mächtig deshalb ermittelt wird, wurde erst durch Medienberichte im Februar bekannt, zwei Wochen nachdem Mächtig im Januar Fraktionschefin geworden war.

Schon zuvor, als sie noch rechtspolitische Sprecherin der Linksfraktion war, hatte sie Teile der Justiz gegen sich und die Linke aufgebracht – mit deftigen Äußerungen zur Mandaten-Affäre ihres Genossen Schöneburg und über eben jenen Justizapparat in Brandenburg. Mächtig sprach von einer Verschwörung, von einer „gut initiierten Intrige“ von interessierten Kreisen“ – also von Medien und „Kräften aus der Justiz“, konkret im Justizministerium und in der Verwaltung der Haftanstalt Brandenburg/Havel – in der Schöneburgs Ex-Mandaten einsaßen. Und dann der Vorwurf: „Sie sind kleingeistig.“ Und: „Diese Justiz braucht dringend eine Reform.“ Gemeint war das Personal. Schließlich verkündete Mächtig, nicht Markov, dass die eine kurzfristige Restrukturierung des Hauses vorbereite.

Wie sehr der selbstbewusste Beamtenapparat der Justiz Mächtig auf dem Kicker hat, zeigt ein Brief, den der Sicherheitschef der Haftanstalt Brandenburg/Havel Anfang April am üblichen Dienstweg vorbei direkt an Justizminister Markov schickte – ein einmaliger Vorgang, der zeigt, dass das Vertrauen der Justiz in die politische Führung durch die Schöneburg-Affäre und durch den Umgang damit nachhaltig beschädigt wurde. Der Sicherheitschef beklagte, dass die „Sachaufklärung“ der Affäre „selbst von parteistrategischen Erwägungen überdeckt ist“. Grund waren Mächtigs Äußerungen, dass Schöneburg hätte gar nicht zurücktreten müssen, denn ihr Genosse habe nur die politischen und persönlichen Konsequenzen gezogen, weil es Fragen zum „Umgang mit möglichen Telefonaten von Strafgefangenen“ gab.

Dass jetzt der Antrag auf einen Strafbefehl gegen Mächtig – noch bevor dieser bei ihr oder vor dem Gericht landet – wieder aus der Justiz heraus publik wurde, fügt sich ein in die Vorgeschichte. Der Vorgang ist auch ein Signal an die neue Hausspitze und Minister Markov. Die Mächtig-Akte der Staatsanwaltschaft ging vor wenigen Tagen an das Amtsgericht raus, das Justizministerium war auch informiert – wie üblich in politisch brisanten Fällen. Dort werden Anklagen noch einmal geprüft, notfalls könnte das Ministerium per Weisungsrecht auch eingreifen und alles stoppen, was aber nicht die Regel ist. In diesem Fall wäre es sogar politischer Selbstmord. Eine Sprecherin des Justizministeriums wollte den Vorgang nicht kommentieren.

nbsp;Alexander Fröhlich

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