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Brandenburg: Die Kunst des Dialogs

Im Centrum Judaicum wird die neue Ausstellung der Gruppe Meshulash eröffnet

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Den wichtigsten jüdischen Feiertag Jom Kippur hat Norma Drimmer in der Synagoge verbracht. Sie fastete am Donnerstag und betete, während andere Mitglieder der Künstlergruppe Meshulash arbeiteten. „Die Zusammensetzung unserer Gruppe ist so vielfältig wie jüdisches Leben in Berlin“, sagt die zierliche 60-Jährige aus Steglitz und meint: Die einen sind strenggläubig, die anderen atheistisch.

Zu Meshulash – der Name bedeutet so viel wie Dreieck – gehören sechs Künstler aus ganz Europa. So unterschiedlich sie auch in ihren religiösen und politischen Ansichten und im alltäglichen Leben sind, so begeistern sie sich doch immer wieder für die gleichen Themen. Diesmal geht es um „Erwählung“, im Centrum Judaicum in der Oranienburger Straße wird am Sonntag ihre neue Ausstellung eröffnet.

„Die Geschichte von der Auserwählung des jüdischen Volkes durch Gott ist ein wichtiges Thema für das Judentum“, sagt Drimmer, während sie vor ihrem Bild steht. „Aber es geht uns nicht nur um Religion: Heute gelten Prominente als auserwählt. Wer hervorgehoben wird, glaubt, es geschafft zu haben, bevor die Angst davor kommt, welche Unannehmlichkeiten das mit sich bringen kann.“ Auf ihrem Bild ist ein israelischer Soldat zu sehen. Er sitzt auf dem Kopfsteinpflaster und scheint eingenickt zu sein. Über ihm schwebt eine grell erleuchtete Wolke, die auf ihn herabstrahlt. Bedeutet das Licht, dass er von Gott erwählt wurde? Ist er der Aufgabe vielleicht nicht gewachsen? Der Betrachter soll sich sein eigenes Bild machen.

Bei Gabriel Heimler, der in Frankreich geboren wurde, geht es um den Einzelnen im Kollektiv. Sein Gemälde einer gesichtslosen Menschenmasse lässt zunächst an KZ-Appelle denken. Erwählung ist hier nichts Paradiesisches, sondern hat mit Verlorenheit zu tun, sagt Heimler.

„Wir wollen mit künstlerischen Mitteln politisch Stellung beziehen“, sagt der 42-Jährige. Gegründet hat sich die Gruppe als Reaktion auf die Rostocker Pogrome 1992, bei denen Unterkünfte von Asylbewerbern in Brand gesetzt wurden. Über die Ausstellungen will die Gruppe auch mit Nichtjuden in Kontakt treten, sagt Heimler.

Seitdem stellt die Gruppe fast jährlich aus, unter Titeln wie „Reise nach Jerusalem“ oder „Re-Generation“, wo jüdisches Leben in Berlin beleuchtet wurde. Insbesondere seit dem Mauerfall sei in der Stadt wieder kreative jüdische Kultur gewachsen, sagt Gabriel Heimler, der nach Berlin kam, um zu seinen Wurzeln zurückzukehren. In jenes Land, aus dem seine Eltern einst flüchten mussten. Patricia Hecht

Centrum Judaicum, Oranienburger Straße 28–30, Mitte, So. und Mo. 10–20 Uhr, Di. bis Do. 10–18 Uhr, Fr. 10–17 Uhr; Eintritt: 3 Euro. Im Internet: www.cjudaicum.de; Telefonnummer: 88 028 300

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