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Der Alte Fritz: Die Lange Nacht des Königs

Die 30. Auflage der Mondscheintouren durch die Museen steht ganz im Zeichen des 300. Geburtstages von Friedrich II.

Berlin - Im Schloss Charlottenburg führt „Das Ladenschild des Kunsthändlers Gersaint“, um 1720 von Antoine Watteau in Paris gemalt, fast ein Schattendasein. Die meisten Besucher wollen seine „Einschiffung nach Kythera“ sehen, an dem Ladenschild im Konzertzimmer hinter der Goldenen Galerie laufen sie achtlos vorbei.

Friedrich II. würde dies sicher ärgern. Schließlich war Watteau sein Lieblingsmaler, und das verschmähte Ladenschild – es war tatsächlich für diesen Zweck entstanden – hatte er selbst um 1744 erworben. „Dabei ist das Bild so kunstvoll und spannungsreich gestaltet. Ironisch wirft es einen Blick auf den Kunstbetrieb seiner Zeit“, erklärt Schlossleiter Rudolf G. Scharmann. Selbst der Louvre beneide Berlin um dieses Werk.

Zur 30. Langen Nacht der Museen an diesem Sonnabend, die dem 300. Geburtstag des Preußenkönigs gewidmet ist, bietet Scharmann mehrere Führungen durch den Neuen Flügel des Schlosses an. Dieser Trakt mit dem Weißen Saal und der Goldenen Galerie diente Friedrich II. im Sommer als repräsentativer Rahmen für glanzvolle Feste mit Musik und Tanz. „Die Goldene Galerie ist der schönste Gartenfestsaal der Rokokozeit“, schwärmt Scharmann. In seinen Mußestunden habe sich Friedrich besonders gern in die Abgeschiedenheit des Konzertzimmers zurückgezogen. Hier unter Watteaus rund drei Meter langem Werbeträger, der tatsächlich nur etwa 14 Tage über Gersaints Geschäft hing, spielte der große Kunst- und Musikliebhaber mit Vorliebe Flöte. Auch zur Langen Nacht wird in Friedrichs ehemaliger Sommerresidenz Musik erklingen: Im Weißen Saal spielen Streicher des Berliner Residenzorchesters Werke seines Kammercembalisten Carl Philipp Emanuel Bach. Auch Kompositionen aus Friedrichs eigener Feder sind zu hören.

Zahlreiche der 70 an der 30. Langen Nacht teilnehmenden Häuser bieten zum Jubiläumsjahr des Preußenkönigs besondere Programme, so auch die KPM, die unter Friedrich erst zur „Königlichen“ wurde. Die Gemäldegalerie möchte mit Führungen über den Kunstgeschmack Friedrichs und die vielen von ihm angekauften Werke wie Antonio da Correggios „Leda und der Schwan“ informieren. „Wir wollen aber nicht nur die Person des Preußenkönigs, sondern auch seine Zeit und deren Gepflogenheiten vorstellen“, sagt Museumspädagogin Ines Bellin. Daher werden ebenfalls Führungen über die Mode des 18. Jahrhunderts, über höfische Jagd und festliche Tafeln angeboten. Da Friedrich nicht nur als großer Kunstsammler, sondern unter anderem auch als Begründer des Kartoffelanbaus in Preußen gilt, gibt es auch einen „Toffel“-Workshop: Erdäpfel werden dabei zum Druckstock. In einem weiteren Workshop geht es um die Gartenkunst des Rokoko: Die Besucher entwerfen auf dem Papier fantastische Irrgärten und kolorieren sie mit Pastellfarbe.

Das wohl berühmteste Friedrich-Gemälde ist Adolph Menzels „Flötenkonzert Friedrichs des Großen in Sanssouci“ (1852) in der Alten Nationalgalerie. Dort dreht sich ebenfalls alles um den Jubilar. Menzel zeigt den König als musizierenden Privatier. Manche Zuhörer aber scheinen vom Flötenspiel nicht besonders angetan, wirken eher gereizt oder gelangweilt, wagen dies freilich nur hinter dem Rücken des Königs zu offenbaren. Selbst Bach am Cembalo sieht etwas überheblich drein. Doch zeigt Menzel eine historische Wahrheit? Friedrich-Kenner meinen: nein. Der König habe sein Gefolge nicht zum Zuhören gezwungen und beim Musizieren nur selten ihre Anwesenheit gewünscht.

NACHTS INS MUSEUM

TICKETS UND PREISE Ein Kombiticket für Erwachsene kostet 15, ermäßigt zehn Euro. Für Kinder bis zwölf Jahre ist der Eintritt frei. Das Ticket berechtigt zwischen 18 und 2 Uhr zum Eintritt in alle teilnehmenden Museen, zur Nutzung der Shuttle-Busse sowie des Öffentlichen Nahverkehrs zwischen 15 und 5 Uhr. Vorverkauf in allen teilnehmenden Museen, den Verkaufsstellen von S-Bahn und BVG, den Berlin-Infostores, an allen Theaterkassen (zuzüglich VVG) sowie online über www.museumsportal-berlin.de. Am Veranstaltungsabend gibt es die Tickets ab 17 Uhr am Kulturforum Potsdamer Platz sowie in teilnehmenden Häusern.

ZEITEN UND ORTE Die Lange Nacht wird um 18 Uhr am Kulturforum mit Fanfarenklängen eröffnet, sie endet um 2 Uhr. In diesem Zeitraum fahren auch die Shuttle-Busse. Das komplette Programm gibt es im Internet unter www.lange-nacht-der-museen.de. Hier kann man sich auch eine persönliche Museumsroute erstellen. Telefonische Infos am Sonnabend, 9 bis 24 Uhr, unter 247 49 888. Die Art-Lounge im Foyer des Kulturforums hat bis 4 Uhr geöffnet. Hier kann man sich bei Cocktails, visueller Kunst und am Kickertisch erholen.

JUBILÄUMSPRÄSENT Zur 30. Ausgabe der Langen Nacht wird der einmillionste Besucher erwartet. Der Käufer dieses Tickets gewinnt eine Reise für zwei Personen zur Langen Nacht in Budapest mit Flug und drei Übernachtungen.

NEUE TEILNEHMER Drei Häuser sind zum ersten Mal mit dabei: Die Filmakademie Kelle mit einer historischen Kinokamerasammlung in Kreuzberg, das Historiale Berlin Museum in Mitte, das der Stadtgeschichte gewidmet ist, sowie der Tränenpalast an der Friedrichstraße.

FÜR KINDER 19 Museen bieten spezielle Programme, Führungen und Workshops für Kinder an. Das Labyrinth Kindermuseum in Wedding lädt zum „Tanzen wie der Alte Fritz“, zudem können die jungen Besucher sich aus Kartoffeln, Zahnstochern, Stoffresten und anderen Materialien ihr eigenes Denkmal bauen. Auch in der Berlinischen Galerie können sich Kinder künstlerisch inspirieren lassen und eigene Denkmale und Skulpturen bauen.

NOCH MEHR FRITZ Das Anti-Kriegs-Museum zeigt Friedrich zwischen Krieg und Frieden. Das Jüdische Museum informiert über dessen widersprüchliche Religions- und Zuwanderungspolitik. Das HanfMuseum klärt über Friedrichs Beziehung zu der Faser- und Heilpflanze Hanf auf, und im Computermuseum lassen sich originale Schlachten des 18. Jahrhunderts simulieren. Bis Sonntagmorgen um 8 Uhr ist außerdem die Wort-Licht-Installation „Lumières“ am Reiterstandbild Unter den Linden zu sehen.

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