zum Hauptinhalt

Brandenburg: Die Leiden lindern

Waris Dirie eröffnet ein Zentrum für die Opfer von Genitalverstümmelung

Stand:

Berlin - Für Berlin hat diese Geschichte genau genommen vor vier Jahren begonnen, mit dem üblichen Gala-Gefunkel am Potsdamer Platz: Filmpremiere mit allem Drum und Dran samt echtem Catwalk, schließlich waren die Hauptdarstellerin und das reale Vorbild ihrer Rolle international erfolgreiche Models. Aber die Unbeschwertheit, mit der solche Veranstaltungen vom Publikum am roten Teppich und drinnen im Kinosaal sonst genossen werden, war diesmal nicht ungebrochen, Beklommenheit blieb. Denn was da gezeigt wurde, war nicht nur ein Spiel der Fantasie, sondern Abbild einer blutigen, grausamen Realität: die Leiden eines in früher Kindheit beschnittenen Mädchens.

„Man will den Frauen durch die Beschneidung alles wegnehmen, ihre ganze Würde und Kraft. Erst wenn die Frauen in Afrika ihre Stärke leben dürfen, kann sich der Kontinent verändern“ – solche kämpferischen Worte sind selten bei dem Interviewreigen, der solche Premieren umgibt, aber für Waris Dirie war die Verfilmung ihres autobiografischen Bestsellers „Wüstenblume“ nur eine weitere Station bei ihrem Kampf gegen die rituelle Genitalverstümmelung, von der nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation weltweit 170 Millionen Frauen und Mädchen betroffen sein sollen.

Das Buch und der Film halfen, die öffentliche Aufmerksamkeit auf dieses grausame, Jahrtausende alte Ritual zu richten, es als das darzustellen, was es ist: ein religiös verbrämtes Gemetzel. Aber solange es weiter praktiziert wird, ist handfestere Hilfe nötig, um den betroffenen Frauen zumindest Linderung ihres Leidens zu verschaffen.

Man darf also den Mittwochabend als weitere Wegmarke in dem besonders mit der UN-Sonderbotschafterin Waris Dirie verbundenen Kampf gegen die Beschneidung von Frauen ansehen, und wieder spielt dabei Berlin eine besondere Rolle: Im Zehlendorfer Krankenhaus Waldfriede an der Argentinischen Allee wurde in Anwesenheit der gebürtigen Somalierin das „Desert Flower Center“ errichtet, ein Zentrum, in dem Ärzte, Seelsorger, Sozialarbeiter, Psychologen und Selbsthilfegruppen bereitstehen, um betroffenen Frauen aus aller Welt zu helfen. Es sei „die weltweit erste medizinische Einrichtung, die die Opfer ganzheitlich betreut und behandelt“, sagt Waris Dirie, für deren 2002 gegründete „Desert Flower Foundation“ das Zentrum auch ein Pilotprojekt darstellt, dem weitere folgen sollen.

Den Anstoß hatte ein Chirurgenkongress 2012 gegeben, auf dem Dirie gesprochen hatte und an dem auch Bernd Quoß, Geschäftsführer des Krankenhauses, teilgenommen hatte. Wie seine Kollegen war er von ihrem Bericht erschüttert und entschloss sich mit seinem Chefchirurgen Roland Scherer zu helfen. Schon zuvor war das Krankenhaus durch seine Babyklappe und anonyme Geburten karitativ engagiert, bot zudem bereits ein Darm- und Beckenbodenzentrum. Die Erweiterung in den Bereich Genitalchirurgie lag da nahe, mit deren Hilfe etwa Narbengewebe geglättet und Fisteln entfernt werden. Sogar eine Rekonstruktion der weiblichen Genitalien ist bereits gelungen.

Das Desert Flower Center wird künftig eng mit Diries Stiftung zusammenarbeiten. Die ersten Operationen sollen in Kürze stattfinden. Andreas Conrad

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })