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Brandenburg: Die letzten Stunden

In Brandenburg müssen sanierte DDR-Neubauten abgerissen werden, weil die Mieter fehlen

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Potsdam - Sie wurden mit Millionenaufwand nach der Wende noch auf Westniveau gebracht – doch geholfen hat es vielerorts langfristig nicht mehr: In brandenburgischen Städten müssen in den kommenden Jahren Hunderte mit Steuergeldern und Krediten sanierte Plattenbauten aus DDR-Zeiten abgerissen werden. Zu diesem Schluss kommt der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), dessen Mitgliedsfirmen die Platten bis auf wenige Ausnahmen gehören. Das sagte am Dienstag der BBU-Vorstand Ludwig Burkardt in Potsdam.

Der Grund: Obwohl allein die 219 BBU-Unternehmen in den Jahren 2002 bis 2008 etwa 41 400 Wohnungen abgerissen haben, reiche das besonders in den ländlichen Regionen nicht aus, um den Bevölkerungsrückgang zu kompensieren, so Burkardt. Um wie viele Wohnungen es sich dabei handelt, sei noch nicht klar. In den Städten und beim Land beginne derzeit eine erste Schätzung. So soll auch ermittelt werden, mit wie vielen Millionen den meist kommunalen Wohnungsunternehmen geholfen werden muss – etwa über die geplante Neuauflage des Stadtumbau-Programms Ost der Bundesregierung und der Länder, das dann von 2010 bis 2016 laufen soll.

Das alte Stadtumbau-Programm lief seit 2002. Allein in den ländlichen Regionen habe, so der BBU, durch den darüber geförderten Wohnungsabriss die Leerstandsquote von 18,1 auf 12,6 Prozent gesenkt werden können. Doch der BBU spricht „von einem Hase und Igel Spiel“: Zwar hätten die BBU-Unternehmen insgesamt im Jahr 2008 etwa 6100 Wohnungen abgerissen, der Leerstand habe sich aber nur um 4100 verringert. „Ohne den Abriss hätte sich der Leerstand also um etwa 2000 Wohnungen erhöht“, so Burkardt. Und die Schere gehe immer weiter auf. Im Jahr 2006 wäre der Leerstand nur um 1600 Wohnungen angestiegen, 2005 gar nur um 152. Man habe Mühe, so der BBU-Chef, mit dem Abriss dem Bevölkerungsschwund zu folgen, „wie beim Wettrennen des Hasen mit dem Igel“.

Die Regierungskoalition aus SPD und CDU warnte Burkhardt gestern davor, heute wie geplant den Gesetzesentwurf zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes in Brandenburg zu verabschieden. Das Vorhaben der Regierungskoalition sei nicht verfassungskonform, betonte Vorstandsmitglied Ludwig Burkardt am Dienstag in Potsdam. Burkardt forderte die rot-schwarze Koalition auf, den Gesetzesentwurf zurückzuziehen.

Der Entwurf sieht für sogenannte Altanschließer, die Wasser- und Abwasseranschlüsse vor 1990 erhielten, rückwirkend Forderungen für den weiteren Ausbau des Trink- und Abwassernetzes nach 1990 vor. Dagegen gibt es laut BBU starke juristische Bedenken. Mit der Einigung auf eine Verjährung könnte dagegen ein Schlussstrich unter das Thema gezogen werden. „Sollte der Entwurf am Mittwoch verabschiedet werden, streben wir eine verfassungsrechtliche Überprüfung an“, kündigte der BBU-Chef an. In einer Landtagsanhörung seien sich die Juristen einig gewesen, dass der Weg der Koalitionsfraktionen falsch sei, so der BBU-Chef. Burkardt, selbst CDU-Mann, empfahl, dem Vorschlag der Linken zu folgen und die Verjährungsfristen ab dem Jahr 2004 klar zu regeln. Dann müsse man zwar anerkennen, dass Neuanschließer an Kläranlagen nach der Wende eventuell zu viel und einige Altanschließer zu wenig gezahlt hätten. Aber das Chaos, so Burkardt, sei nicht mehr entwirrbar. SPD und CDU seien mit dem Gesetz „mit Wollust dabei, dem nächsten Crash entgegenzubrettern“. Peter Tiede

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