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Von Johann Legner: Die Richtige

Ulrike Poppe soll erste Stasi-Beauftragte Brandenburgs werden. Die Bürgerrechtlerin hat ihre Erfahrungen

Stand:

Berlin - Leicht dürfte Matthias Platzeck die Nominierung von Ulrike Poppe als zukünftige Stasi-Beauftragte Brandenburgs nicht gefallen sein. Aber der SPD-Parteichef und Ministerpräsident des Landes Brandenburg weiß, wie hoch derzeit die Hürde liegt beim Thema Aufarbeitung der SED-Herrschaft in seinem Bundesland. Also will er sich mit Poppe eine herausragende und über jeden Verdacht erhabene Bürgerrechtlerin holen. Die 56-jährige Berlinerin hat sich trotz des großen Anteils, den sie zusammen mit ihrem Mann Gerd Poppe an der Herausbildung von Oppositionsgruppen in der DDR trägt, nach 1989 nie in den Vordergrund gedrängt und arbeitet seit vielen Jahren als Studienleiterin der Evangelischen Akademie (PNN von gestern).

Sie hat sich allerdings auch in den letzten zwanzig Jahren nie gescheut, deutlich Stellung zu beziehen, wenn dies ihrer Meinung nach geboten schien. So gehört sie zu den Unterzeichnern jener Erklärung, die im März 1994 den damaligen brandenburgischen Landespolitiker Günter Nooke in Schutz gegen eine Kampagne und massive Kritik der SPD und der Staatskanzlei des damaligen Regierungschefs Manfred Stolpe (SPD). Gegen Nooke, damals Fraktionschef von Bündnis 90/Grüne im Landtag, war aus der SPD eine Kampagne gestartet worden gegen die Kritiker Stolpes, des Amtsvorgängers und politischen Ziehvaters von Matthias Platzeck. Wörtlich heißt es in der von Poppe unterzeichneten Erklärung zu Nooke: „Sie widerstanden Lüge und Täuschung, die die Verquickung von Manfred Stolpe mit SED und MfS in der Öffentlichkeit vernebeln.“ Dies war damals auch ein deutlicher Seitenhieb auf Nookes Fraktionskollegen Platzeck, der sein Ministeramt im Stolpe-Kabinett behielt, nachdem er sich mit Stolpe solidarisiert hatte. Poppe selbst kennt Platzeck seit 1989, aus der Zeit des Runden Tisches, an dem sie als Vertreterin der Gruppe „Demokratie jetzt“ saß.

Poppe kennt auch die Methoden der Staatssicherheit bestens. Sie saß wochenlang in einem Untersuchungsgefängnis der DDR-Geheimpolizei, wurde wie ihr Mann rund um die Uhr observiert, musste zeitweilig unter Hausarrest leben, bei dem sie dann auch noch die dauernde Präsenz von Stasi-Offizieren in der eigenen Wohnung zu ertragen hatte. Und sie, die mit Gleichgesinnten 1980 den ersten unabhängigen Kinderladen in Ost-Berlin gründete, musste immer mit der Drohung leben, ihre Kinder zu verlieren. Sie zählte zu den „Hauptfeinden“ des Ministeriums, das sich „Schild und Schwert“ der Sozialistischen Einheitspartei (SED) nannte. Vierzig Ordner hatte die Staatssicherheit mit Informationen zu Poppe und ihrem Ehemann Gerd gefüllt. Zusammen mit anderen, allen voran Bärbel Bohley erkämpfte sie ab 1982 jenes Netzwerk von Initiativen, das dann im Herbst 1989 bereit stand, der SED die Machtfrage zu stellen. Von besonderer Bedeutung war dabei die Gruppe "Frauen für den Frieden". Sie war 1982 als Reaktion auf das neue Wehrpflichtgesetz der DDR gegründet worden. Dieses Regelwerk eröffnete erstmals auch die Möglichkeit, Frauen einzuberufen und die Behörden begannen dann auch im Herbst mit der Erfassung von Mitarbeiterinnen des Gesundheitswesens. Die Aktivitäten dieses Kreises führten dann zunächst zur Inhaftierung von Ulrike Poppe, aber auch zu einer großen Solidarisierung gerade auch unter Frauen und nicht nur in der DDR, sondern auch in der Bundesrepublik. Vor etwa 20 Jahren, kurz vor dem Sturz der DDR-Diktatur, wurde Poppe von einer Weggefährtin so charakterisiert: „Sie ist eine Frau, die zu dem steht, was sie bewegt hat. Dabei ist sie hartnäckig, manchmal auch unsicher, vor allem aber begeisterungsfähig.“ Die Worte stammen von der Bürgerrechtlerin Marianne Birthler, die dann 1990 zusammen mit Platzeck und Nooke für Bündnis 90 in den brandenburgischen Landtag einzog und bis 1992 Bildungsministerin im Stolpe-Kabinett war. Birthler verlies dann aus Protest gegen Stolpes Stasi-Kontakte die Regierung.

Poppe sitzt nun seit vielen Jahren im Beirat der Stasi-Unterlagenbehörde BStU, die zunächst unter Führung von Joachim Gauck, heute eben von Marianne Birthler verantwortlich ist für die Nutzung der Stasi-Akten. Sie hat im Jahr 2000, als sie als Nachfolgerin von Gauck im Gespräch war, gezögert, obwohl sie gute Chancen hatte, vom Bundestag zur Bundesbeauftragten gewählt zu werden. Poppe setzte früh und noch heute auf die Öffnung der Stasi-Akten. Es konnte, so sagt sie, „mit der Bloßstellung der Mechanismen des Überwachungs- und Unterdrückungsapparates auch ein neues DDR-Geschichtsbild entstehen, das dem der SED-Propaganda wie auch einiger Träumer im Westen widerspricht“.

Das Land Brandenburg, in dem die Schüler im Bundesvergleich besonders wenig über die DDR und deren diktatorisches Wesen wissen, könnte mit ihr eine Frau der allerersten Wahl bekommen. Sie gilt als fähig, auch auf Menschen anderer Meinung zuzugehen und vor allem: sie kann moderieren. Was sie im Rückblick auf ihre Zeit im Widerstand manchmal kritisch anspricht, ist das männerdominierte, überhebliche Verhalten der damaligen Dissidenten. Auch die Erfahrungen damit dürften für sie im heutigen Potsdam von Nutzen sein. Poppe, mehrfach ausgezeichnet – unter anderem mit der Theodor- Heuss-Medaille und dem Gustav-Heinemann Bürgerpreis – hat die Unterstützung der CDU und der Grünen. Johanna Wanka, die CDU-Chefin, hatte sie bereits vor Monaten ins Gespräch gebracht.

Seit einiger Zeit ist Poppe, die tief verwurzelt ist in ihrem Heimatkiez im Berliner Prenzlauer Berg, auch in Potsdam zu sehen. Um zu zeigen, wie es war im Widerstand in der DDR, steht sie derzeit mit anderen auf der Bühne des Hans Otto Theaters. Titel des Dokumentarstücks: „Vom Widerstehen“.

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