Brandenburg: Die SPD hadert mit dem Erfolgsbegehren
Agrarminister Vogelsänger lehnt weiteres Verbandsklagerecht für Tierschützer kategorisch ab
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Potsdam - Nicht nur die Initiatoren, sondern auch Brandenburgs Regierung und Landtagsfraktionen waren überrascht über den Erfolg des Volksbegehrens gegen Massentierhaltung in Brandenburg. Doch das Signal ist offenbar noch nicht vollends angekommen, jedenfalls nicht bei den Sozialdemokraten. Während die anderen Fraktionen, selbst die mitregierende Linke, positive Signale aussendeten, zog die SPD eine rote Linie.
Zur Vorgeschichte: Vielerorts gibt es schon seit Jahren wegen Gestanks und möglicher Umweltschäden Widerstand gegen immer neue, immer größere Mega-Ställe. Der hat sich nun in einem erfolgreichen Volksbegehren niedergeschlagen. Fast 104 000 Bürger haben bis Donnerstagnachmittag binnen eines halben Jahres unterschrieben, 80 000 Unterschriften waren nötig, damit sich der Landtag erneut mit dem Anliegen des Bündnisses Agrarwende befasst. Dabei sind die Hürden in Brandenburg besonders hoch: Straßensammlungen für Unterschriften sind nicht erlaubt, die Bürger müssen aufs Amt oder Briefwahlunterlagen anfordern. Es waren ganz genau 103 891 gültige Unterschriften abgegeben worden.
Das Bündnis Agrarwende fordert, nur Betriebe mit bis zu 40 000 Geflügeltieren und bis zu 2000 Schweinen mit Steuergeld zu fördern. Das Land soll einen Tierschutzbeauftragten bekommen, Tierschutzverbände ein Klagerecht gegen Genehmigungen von Mastanlagen. Auch das Verstümmeln von Schnäbeln und Schwänzen soll untersagt werden.
Brandenburgs Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) zog sich am Donnerstag zunächst einmal auf Floskeln zurück: „Volksbegehren sind Teil einer lebendigen Demokratie. Es richtet sich direkt an den Landtag, nicht an die Landesregierung“, sagte er in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa. Er sprach von Diskussionen um bessere Haltungsbedingungen von Nutztieren, die seien auch für die Bauern existenziell, die Tiere ihr entscheidendes Kapital. Und er wiederholt, dass ab 2017 die Basisförderung für neue Ställe gestrichen und auf eine sogenannte Premiumförderung umgestellt wird. Vogelsänger versucht schönzureden, denn eines sagt er nicht: Die alten Auflagen zum Tierschutz sind für die Premiumförderung überwiegend übernommen und nur überschaubar verbessert worden. Immerhin haben nur noch drei andere Bundesländer einen so hohen Förderstandard, sagte Vogelsänger. Dabei sollen nun neue Ställe in der neuen Förderperiode mit 40 Prozent der Investitionssumme gefördert worden, zuvor waren es nur 35 Prozent. Eine Einigung mit den Initiatoren des Volksbegehrens zu den Förderstandards ist also nicht ausgeschlossen.
Aber Vogelsänger sagt auch ganz klar, was nicht mit ihm geht. Dabei geht es um die Frage, ob es ein Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände geben soll. „Die Befürchtung ist, dass insbesondere kleinere Betriebe sich Anwaltskosten nicht mehr leisten können, wenn es jetzt zusätzliche Klagemöglichkeiten gibt“, sagte Vogelsänger der „Lausitzer Rundschau“. „Ich sehe das skeptisch.“ Auch aus der Fraktion heißt es, das Verbandsklagerecht sei mit der SPD nicht zu machen.
Ganz anders der Koalitionspartner die Linke. Bei der ersten Hürde, der erfolgreichen Volksinitiative mit 34 000 Unterstützern, hatte die Regierungskoalition die Forderungen noch geschlossen abgelehnt. Dabei hat die Linke durchaus Sympathien: Verbraucherschutzminister Helmuth Markov unterschrieb dann sogar beim Volksbegehren – zum Unmut der SPD, die eng verbandelt ist mit dem Landesbauernverband. Das von Vogelsänger geführte Agrarministerium setzt weiter auf Mega-Ställe von Investoren und früheren LPG-Betrieben. Er meint: Angesichts des hohen Fleischkonsums in Deutschland sei der Bedarf sonst ohne die Riesenställe „schwer zu realisieren“. Und der Landesbauernverband, dessen scheidender Präsident der SPD-Landtagsabgeordnete Udo Folgart ist, verwies schon in den vergangenen Wochen darauf, dass Brandenburg die Hauptstadtregion nur zu einem Drittel selbst mit Fleisch versorgen könne.
Die Linke setzt darauf, auch beim Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände die SPD umzustimmen. Markov erklärte, er rechne damit, dass im Landtag eine einvernehmliche Lösung erzielt werden könne. Verbraucher müssten aber wohl höhere Preise für Lebensmittel akzeptieren. Für CDU-Fraktion begrüßte Henryk Wichmann den Erfolg des Volksbegehrens. Es sei nach den Debatten um die Volksinitiative klar, „dass es insbesondere auf einen ehrlichen Umgang von SPD und Linke mit dem Volksbegehren ankommt“.
Die Grünen forderten, dass Rot-Rot den Initiatoren ein substanzielles Angebot machen müsse, ansonsten riskiere die Koalition eine Volksabstimmung. „Auch der Letzte im rot-roten Regierungslager sollte jetzt begreifen, dass sich die Zeiten im Land geändert haben“, sagte Fraktionschef Axel Vogel. „Die exportorientierte industrielle Tierhaltung ist keine Zukunftsoption für die heimische Landwirtschaft, sondern eine Sackgasse.“ Ministerpräsident Dietmar Woidke solle dem „ beratungsresistenten“ Agrarminister Jörg Vogelsänger eine andere Marschrichtung vorgeben oder ihm die Zuständigkeit entziehen. Und Rot-Rot müsse sich frei machen „von den Einflüsterungen der Lobby der industriellen Landwirtschaft“.
Alexander Fröhlich
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